Jonas Adjetey im Interview: «Meine Mutter dachte nicht, dass ein Typ wie ich Fussballprofi werden kann»

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

Jonas Adjetey im Interview: «Meine Mutter dachte nicht, dass ein Typ wie ich Fussballprofi werden kann»

Jonas Adjetey ist seit fast einem Jahr Stammspieler in der Innenverteidigung des FC Basel. Im Interview spricht der 21-jährige Ghanaer über seinen filmreifen Weg nach Europa, seine Geduld und seine strenge Mutter.

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Jonas Adjetey trug bisher 37-mal in einem Pflichtspiel das Trikot des FC Basel. Auf eine Torbeteiligung wartet der 21-Jährige noch.

Bild: Imago/Grant Hubbs

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Wo waren Sie, als Sie zum ersten Mal vom FC Basel hörten?

Jonas Adjetey: Ich spielte mit Ghanas U20-Nationalmannschaft ein Turnier in Frankreich und freute mich auf die Heimreise, denn ich war zum ersten Mal überhaupt in Europa. Doch dann rief mein Berater an und sagte: «Du gehst nicht nach Hause. Du gehst nach Basel.» Ich war nervös, denn ich kannte den Klub nicht und suchte sofort am Handy nach Informationen. Ich war so in einem Tunnel, dass ich vergass, meiner Mutter mitzuteilen, dass sie mich nicht am Flughafen in Accra abholen muss. Erst als ich in Basel wieder mein Handy anmachte, bemerkte ich den Fehler, da sie mehrmals angerufen hatte.

Wie verlief der Rückruf?

Es war wild. Sie fragte: «Wer hat dich da hingebracht?» Ich antwortete: «Es gibt da einen Verein in der Schweiz, der mich vielleicht verpflichten will. Es könnte wichtig sein für meine Karriere, aber ich werde eine Weile weg sein.» Meine Mutter hatte keine Idee, wo ich da gelandet war. Ich sah sie erst ein halbes Jahr später in der Winterpause wieder.

Sie fielen David Degen bereits bei einem Besuch in Ghana im Herbst 2021 auf. Der FCB verpflichtete damals Emmanuel Essiam.

Ema und ich spielten zwar beim selben Klub, aber kannten uns nur flüchtig. Es war mir nicht bewusst, dass ich zu dem Klub gehen würde, bei dem er unterdessen spielte. Erst als mir mein Berater sagte, Ema würde mich am Flughafen abholen und ich könne fürs Erste bei ihm wohnen, fiel der Groschen.

Was hat Sie in der Schweiz kulturell am meisten beeindruckt?

Die Fasnacht. Dass verkleidete Leute von einem Wagen Essen ins Publikum werfen, hat mich sogar ein bisschen schockiert. (Lacht.)

Gibt es in Ghana auch eine Art Fasnacht?

Ja. Wenn nach einer Zeit, in der das Essen knapp wird, wieder geerntet werden kann, machen wir auch ein grosses Fest, um unserer Abhängigkeit von grösseren Mächten zu huldigen. Da ziehen wir auch Masken an und singen, aber wir werfen kein Essen umher. (Lacht.)

Wie war das Leben in Ihrer Jugend in Ghana?

Ich lebte bei meiner Mutter in einer Hütte, ging quasi nie aus und hatte darum auch nicht viele Freunde. Meine Mutter hat hart gearbeitet, damit ich und meine fünf Jahre jüngere Schwester genug zu essen hatten. Und sie war sehr streng. Nach der Schule musste ich jeweils sofort nach Hause.

Ihr Vater starb früh. Erinnern Sie sich noch an ihn?

Ja. Erst hatte er einen Unfall, durch den er wegen einer Lähmung nur noch den linken Arm benutzen konnte. Doch er arbeitete auch mit Behinderung weiter und war viel unterwegs, um mit der richtigen Medizin die Lähmung kurieren zu lassen. Doch als ich eines Tages aus der Schule kam, kam die Nachricht, dass er verstorben ist.

War diese tragische Geschichte auch ein Grund dafür, dass Ihre Mutter so streng zu Ihnen war?

Mein Vater war auch schon streng. Da hat sich nichts geändert. Aber als alleinerziehende Mutter passte Mama nachvollziehbarerweise noch mehr auf die Kinder auf.

Auch Fussballspielen war lange untersagt.

Das stimmt. Dabei war meine Mutter selbst eine sehr gute Leichtathletin. Sprint und Hochsprung waren ihre Disziplinen. Aber die Karriere geriet irgendwann ins Stocken und sie wollte nicht, dass ich denselben Weg einschlage. Für mich war das Wort meiner Mutter Gesetz. Auf der anderen Seite wollte ich auch unbedingt Fussball spielen. Also musste ich sie lange überreden und vor allem andere Leute ins Boot holen, die ein gutes Wort bei ihr einlegten.

Erinnern Sie sich an den Tag, als Ihre Mutter nachgab?

Natürlich. (Lacht.) In der Schule und manchmal auch auf dem Heimweg spielte ich natürlich trotzdem Fussball, und da gab es Menschen, die mein Talent sahen und meiner Mutter ins Gewissen redeten. Eines Tages gab sie nach und ich ging ab sofort regelmässig ins Junioren-Training von Great Olympics FC, einem lokalen Zweitligisten.

Wer war Ihr Kindheitsidol?

Virgil van Dijk. Mir war immer klar, dass ich auch ein Verteidiger werde.

Sie verliessen Accra mit 18 Jahren und schlossen sich der zweiten Mannschaft von Berekum Chelsea im Nordosten des Landes an. Was versprachen Sie Ihrer Mutter zum Auszug?

Dass ich jede Minute meines Lebens alles geben werde, um Fussballprofi zu werden und mich eines Tages, wenn ich es geschafft habe, um sie kümmern werde. Das habe ich beim Abschied zu Hause an die Wand geschrieben.

War die Unterschrift beim FC Basel der Moment, als Sie Ihrer Mutter sagten: Schau, ich habe es geschafft?

Ja. Wobei ich wusste, dass es mit der Unterschrift beim FC Basel noch nicht getan war und ich mich weiterentwickeln muss.

Stimmt die Geschichte, dass Sie nach dem Salat verwundert waren, dass beim Essen beim FC Basel noch ein weiterer Gang folgt?

(Lacht.) Wer hat Ihnen das erzählt? Ja, das stimmt.

Sie machten sich von Anfang an als harter Verteidiger mit etwas unkonventionellem Spiel einen Namen. Gleich im ersten Rondo beim Trainingsauftakt sah man Sie zur Grätsche ansetzen.

Einsatz und Härte entspricht dem Spielstil, der mich stark gemacht hat. Ich wollte die Chance nutzen und mich nicht zurücknehmen. Böse war mir deswegen nie jemand, ich spürte vielmehr, dass die Spieler froh waren, wenn ich beim Abschlussspiel in ihrem Team war. (Lacht.) Ich habe mich auch immer entschuldigt, wenn ich jemandem wehgetan habe. Und ich muss sagen, dass ich in eine wunderbare Gruppe gestossen bin. Fabian Frei, Adam Szalai und auch die anderen haben mich sehr gut aufgenommen. Auch Taulant Xhaka hat mir geholfen, indem er mir gleich ein funktionierendes Handy organisiert hat.

Jonas Adjetey kennt wie hier gegen Lausanne in Zweikämpfen kein Pardon.

Jonas Adjetey kennt wie hier gegen Lausanne in Zweikämpfen kein Pardon.

Bild: Imago/Philipp Kresnik

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Sie mussten anderthalb Jahre in der U21 Spielpraxis sammeln. War das okay oder wurden Sie mit der Zeit ungeduldig?

Es war okay. Es war mir klar, dass ich nicht sofort für die erste Mannschaft spielen würde. Die Zeit in der U21 war gut für mich, da ich dort Matchpraxis sammeln konnte. Ich hatte auch immer gute Gespräche mit den Trainern Ognjen Zaric und Mario Cantaluppi. Ich war aber fast in jedem Heimspiel der ersten Mannschaft im Stadion und sagte mir: Eines Tages wirst du dort unten spielen.

Gab es nie einen Moment, in dem Sie einen Wechsel bevorzugt hätten?

Nie. Ich sollte einmal zu Admira Wacker Mödling ausgeliehen werden. Aber das wollte ich nicht. Basel fühlte sich nach meinem Zuhause an. Hier können sich junge Spieler gut entwickeln, auch ohne Spielpraxis.

Im April 2024 wurden Sie ins kalte Wasser geworfen und sind seitdem Stammspieler. Überrascht Sie diese Entwicklung?

Am Anfang ein wenig, weil ich es nicht gewohnt war. Aber wir spielten erfolgreich, und ich war mit meiner Entwicklung sehr zufrieden.

Sie gehören in dieser Saison gemäss dem statistischen Gesamtskore von Sofascore zu den Top-5-Innenverteidigern der Super League.

Das ist schön, vor allem wenn man weiss, wo ich herkomme. Aber die Entwicklung ist noch nicht fertig. Es geht immer noch besser. Die Arbeit ist noch lange nicht zu Ende.

Jonas Adjetey hat seit April 2024 nur vier Spiele verletzungsbedingt verpasst. –> <!–>

Jonas Adjetey hat seit April 2024 nur vier Spiele verletzungsbedingt verpasst.

Bild: Marc Schumacher / freshfocus

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Wohin soll die Reise noch gehen? In die Champions League?

Wer weiss. Ich werde mein Bestes geben, und dann sehen wir, wohin der Weg führt.

Wie war es, als Trainer Otto Addo Sie im Herbst 2024 zum Nationalspieler Ghanas machte?

Ein Traum wurde wahr. Nach dem Sion-Spiel rief mich jemand an und sagte, ich sei auf Pikett. Kurz darauf klingelte das Telefon erneut und ich wurde aufgeboten.

Ghana verpasste den Africa Cup kläglich. Wie können Sie sich die sportliche Krise des Fussballlandes erklären?

Ich weiss es auch nicht genau, da ich noch nicht lange dabei bin. Aber ich bin sicher, dass wir da wieder rauskommen.

Welche Schwächen haben Sie noch?

Viele. Ich kann mich überall verbessern. Vor allem mein Kopfballspiel sieht nicht schön aus. Daran will ich arbeiten.

Fabio Celestini vertraut seinem «Soldaten», wie er Jonas Adjetey gerne betitelt.

Fabio Celestini vertraut seinem «Soldaten», wie er Jonas Adjetey gerne betitelt.

Bild: Marc Schumacher / freshfocus

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Was ist in dieser Saison mit dem FC Basel möglich?

Wir arbeiten hart, und dann sehen wir, was wir erreichen können.

Wovon träumen Sie?

Mein Traum ist es, dem Klub mit Leistung helfen zu können.

Sie haben Ihren Vertrag in Basel im Herbst bis 2028 verlängert. Bleiben Sie so lange?

Ich habe bis jetzt keine anderen Pläne und werde bis zum letzten Tag alles für diesen Verein geben. Aber natürlich hoffe auch ich, eines Tages in einer Top-5-Liga in Europa zu spielen.

Sie werden von der SBE von Philipp Degen beraten. Wie kam es dazu?

Ich weiss es gar nicht genau. Das hat mein ursprünglicher Berater organisiert. Für mich ist es einfach wichtig, dass jemand im Hintergrund Dinge regelt und ich mich auf Fussball konzentrieren kann.

Wie viel Prozent Ihres Lohnes schicken Sie nach Ghana?

Es ist schwierig. Viele wollen etwas abhaben, und ich muss abwägen, was sinnvoll ist. Meine Familie steht sicherlich an erster Stelle und hat eine neue Wohnung bezogen. Aber ich habe noch mehr Pläne, wie ich ihnen das Leben erleichtern kann. Mit einem Haus zum Beispiel. Wobei meine Mutter immer noch arbeitet. Das braucht sie.

War Sie jemals in Basel?

Nein. Ich würde mich über einen Besuch freuen. Aber sie ist eine spezielle Frau und hat ihren eigenen Kopf. Aber sie schaut ab und zu am Fernsehen zu und meldet sich dann, wenn sie ein Spiel gesehen hat.

Wann waren Sie zuletzt in Ghana?

In der Winterpause.

Was erwartet Sie in der Heimat? Ein grosses Fest?

Nein. Wir bleiben im kleinen Kreis. Mama, Schwester und ein paar Freunde. Ich nehme jeweils auch ein paar Trikots mit, um meinen Freunden zu zeigen, dass ich immer noch für sie da bin.

Auch David Degen hat zuletzt jede Menge FCB-Material nach Ghana geschickt. Hatten Sie da Ihre Finger im Spiel?

FCB-Präsident David Degen schickte Anfang Februar 55 Kisten mit Fussballkleidern nach Ghana. –> <!–>

FCB-Präsident David Degen schickte Anfang Februar 55 Kisten mit Fussballkleidern nach Ghana.

Bild: X

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Nein. Aber ich habe es in den lokalen Nachrichten gesehen und mich gefreut. Der FC Basel hat eine gute Reputation in Ghana, und solche Aktionen verstärken das natürlich.

Hat Ihre Mutter unterdessen eingesehen, dass es gut war, auf Fussball zu setzen?

Ja. Aber sie sagt immer noch, dass sie damals nicht glaubte, dass ein introvertierter Typ wie ich Fussballprofi werden kann.