Zwei Herzen in seiner Brust: «Enttäuschung und Wut» bei Celestini nach dem Sieg gegen Sion

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

Zwei Herzen in seiner Brust: «Enttäuschung und Wut» bei Celestini nach dem Sieg gegen Sion

Der FC Basel zieht nach Elfmeterschiessen gegen Sion in den Cup-Viertelfinal ein – und Trainer Fabio Celestini übt Grundsatzkritik. Er spricht von Enttäuschung und Wut und bringt damit auf den Punkt, welch grossen Anteil er an der Entwicklung des FC Basel hat.

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FCB-Trainer Fabio Celestini ist zufrieden mit der grundsätzlichen Entwicklung seiner Mannschaft, Phasen der Partie gegen Sion führten bei ihm aber zu Enttäuschung.

Keystone

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Eigentlich könnte man meinen, Fabio Celestini sollte erlöst sein. Oder zumindest aufgestellt, zufrieden. Doch in dem Moment, als er in den letzten Minuten des Mittwochabends das Podium im Medienraum des FC Basel betritt, ist zu sehen und zu spüren: Fabio Celestini ist nicht glücklich. In ihm brodelt etwas. Der Cheftrainer des FC Basel strahlt nicht das aus, was man von ihm nach dem Weiterkommen seiner Mannschaft im Cup-Achtelfinal gegen den FC Sion erwartet hätte.

«Ich habe heute zwei Gefühle», eröffnet er auch gleich sein Votum. «Einerseits bin ich zufrieden, weil man im Schweizer Cup am Ende in die nächste Runde kommen muss. Das haben wir geschafft, das ist die gute Nachricht», fährt er fort. Nach dem 6:3 im Penaltyschiessen im Achtelfinal ist diese Prise Zufriedenheit ja doch noch festzuhalten.

Doch das zweite Gefühl, es ist jenes, das bei Fabio Celestini überwiegt. Es ist ein Gefühl von Enttäuschung. Vielleicht gar von Wut. Ja, diese Gefühle hegt Fabio Celestini, und wer ihn auf seinem Weg beim FC Basel, der nun schon rund ein Jahr dauert, verfolgt, den darf es eigentlich gar nicht überraschen. Denn Fabio Celestini ist ein Perfektionist. Einer, der auch im Guten stets das Bessere sucht, das Potenzial, den nächsten Schritt zu machen.

Noch nie Dagewesenes in seiner FCB-Zeit

So erklärt er am Mittwochabend, was ihn so bewegt: Die 30 bis 35 Minuten nach dem frühen Führungstor, welches Xherdan Shaqiri in der 5. Minute gezaubert hatte. «Da haben wir komplett den Kopf verloren. So etwas habe ich in meinem bisschen mehr als einem Jahr hier noch nie gesehen von meiner Mannschaft. Das dürfen wir nicht vergessen.»

Es ist eine Aussage, die vor allem im Kontext dieses Jahres unter Fabio Celestini an Brisanz gewinnt. Denn wenn man sieht, in welcher Verfassung der 49-Jährige das Team am 31. Oktober 2023 übernommen hatte, dann ist das ein brutales Verdikt. Der FC Basel war im Oktober 2023 am Boden. Tabellenletzter. Einen ganzen Monat lang ohne Tor. Er war gegen Lausanne-Ouchy im Joggeli bis aufs Blut blamiert worden. Der FC Basel suchte nach Halt, nach seiner DNA, nach irgendetwas, an was er sich festhalten kann.

Ein Jahr später wirkt dieser Gang durch die tiefen Täler weit weg. Der FCB ist Tabellenführer, er weist ein Auftreten und einen Flow auf, wie man sie seit Jahren nicht erlebt hat. Dennoch ist Fabio Celestini nach dem Weiterkommen zutiefst unzufrieden, urteilt: «So etwas wie gegen Sion darf nicht passieren.»

Der Trainer spricht jene Phase an, in welcher seiner Mannschaft nach Shaqiris direktem Freistoss-Tor in der Tat das Spielgeschehen entgleitet. Die Basler lassen Sion Räume, besinnen sich nicht auf ihr eigenes Können, sondern verlieren sich in Fehlzuspielen, in Ungenauigkeiten und Unkonzentriertheiten. «Dabei müsste man da Feuer bringen. Die andere Mannschaft leiden lassen», sagt Celestini.

Celestini urteilt: «Das war nicht meine Mannschaft»

Was er stattdessen kriegt: Zwei grobe Fehler vom bemitleidenswerten Nicolas Vouilloz und zwei Gegentore. Damit sieht Celestini sein Team sogar noch gut bedient: «Wir haben Glück, dass sie nur zwei Tore machen. Wir könnten dieses Spiel aufgrund dieser 30, 35 Minuten verlieren.» Die Schuld Vouilloz zuschieben, der beide Gegentreffer einleitet, das will Celestini nicht. Es sei das ganze Team verantwortlich – bei einem Sieg, aber auch in einer solchen Schwächephase während einer Partie. Die Konsequenz: «Wir müssen darüber reden und überlegen, wie das passiert ist.»

Die Message habe er dem Team in der Pause «transparent und ehrlich wie immer» überbracht und aufgezeigt, dass man das Glück habe, noch zurückkommen zu können. Tatsächlich ist der FCB nach Wiederanpfiff der regulären Spielzeit besser, rettet sich dank eines Traumtores von Anton Kade in die Verlängerung und schliesslich im Penaltyschiessen in die nächste Runde.

Dass Celestini nach der Partie aber diese Grundsatzfragen stellt, hängt auch damit zusammen, dass er wisse, dass sein Team mehr könne, wie er sagt: «Wir haben viele gute junge Spieler, die immer gut arbeiten. Daher ist die Enttäuschung umso grösser. Das war nicht meine Mannschaft. Darum war es für mich umso schwieriger, es zu sehen.»

Es ist das Herz des Perfektionisten, das aus ihm spricht. Des Detailversessenen auch.

Im Interview mit dieser Zeitung vor der Partie machte Vize-Captain Dominik Schmid eben genau dieses Auge fürs Detail als einen der Schlüssel dafür aus, dass es dem FC Basel in dieser Spielzeit so gut läuft: «Der Staff pusht bis zum Äussersten und kitzelt jedes Prozent raus. Sie lassen nicht locker, weisen immer wieder drauf hin, wie wichtig gewisse Dinge sind. Egal in welcher noch so kleinen Situation. Das merkt man einfach.»

Xherdan Shaqiri und die gute Moral im Team

Neben aller berechtigten Kritik, welche Fabio Celestini im Nachgang der Partie anbringt, hat er aber durchaus noch ein zweites Herz in seiner Brust. Eines, welches den Fortschritt wertschätzt, welchen sein Team seit seiner Übernahme geschafft hat. So gibt er Xherdan Shaqiri recht, der nach der Partie sagte: «Vor einem Jahr hätte diese Mannschaft dieses Spiel verloren.» Damals war Shaqiri zwar noch nicht dabei, die Essenz der damaligen Probleme aber konnte er offenbar auch aus der Ferne in den USA festmachen.

Am Mittwochabend spricht Shaqiri von der «guten Moral, die dieses Team hat», das habe diese Partie gegen Sion erneut aufgezeigt. Diese Moral anerkennt auch Fabio Celestini. Er, der immer wieder auf den laufenden Prozess verweist. Darauf, wie wichtig kleinste Komponenten sind. Der Perfektionist eben.

Dass seine Mannschaft sich in diesem Prozess aber kontinuierlich steigert, auch Leistungs-Baissen wie gegen Servette vor zwei Wochen, vor allem aber jene über 30 Minuten gegen Sion am Mittwochabend annehmen kann, nicht auseinanderfällt und zurückkommen kann, das wird von Celestini anerkannt. Es gehört für ihn mit zu diesem Fundament, auf welchem man ein Spitzenteam aufbauen kann.

Denn das soll der FCB dereinst wieder werden. Derzeit steht dieser Mannschaft alles offen. Tabellenführer in der Liga, Viertelfinalist im Cup. Mit nur noch zwei Partien vor der Brust in diesem Kalenderjahr steht der FCB zu hundert Prozent im Soll.

Zu verdanken hat der FC Basel dies zu einem grossen Teil auch Fabio Celestini. Seine Zwiespalt und diese zwei Herzen in seiner Brust stehen exemplarisch für den Weg des FC Basel. Dafür, dass Demut angesagt ist, steter Wille zur Verbesserung. Und dafür, dass man sich Spieltag für Spieltag, Runde für Runde steigern muss, um irgendwann wieder ganz oben zu stehen.

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