Dieser Artikel wurde von BAZ publiziert.

AboStreller, Frei und Huggel

Erst hat der Fussball ihnen alles gegeben, dann hat er sie abgestossen

Marco Streller, Alex Frei und Benjamin Huggel im Gespräch bei einem Talk der BaZ, moderiert von Oli Gut im Kulturhuus Häbse in Basel. © Nicole Pont
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In Kürze:

  • Benjamin Huggel, Marco Streller und Alex Frei blicken zurück auf ihre Karrieren und die Probleme, die ihnen beim Übergang ins Berufsleben begegnet sind.
  • Knapp zehn Jahre nach dem Karriereende von Streller ist heute keiner der drei ehemaligen FCB- und Nationalspieler in offizieller Funktion bei einem Club tätig.
  • Heute können sie sagen: «Unsere Zeiten als Spieler waren erfolgreicher als die, die wir danach hatten.» Sie alle haben schmerzhafte Erfahrungen gemacht.

Benjamin Huggel ist schon da, zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin. Er sitzt im Hinterzimmer des «Kulturhuus Häbse» in Basel – helles Hemd, beige Hose, weisse Turnschuhe – und beantwortet auf seinem Laptop noch ein paar E-Mails. Wenn es nach ihm ginge, könnte es losgehen. «Typisch, dass ich auf die anderen zwei warten muss», sagt er, grinsend.

Kurz darauf kommen «die anderen zwei»: Marco Streller betritt den Raum, den Arm ausgestreckt, bereit für eine grosse Umarmung mit Huggel. Alex Frei humpelt ihm hinterher, er hat sich beim Schneefussball in Arosa das Kreuzband gerissen. Die Schiene an seinem rechten Bein ist natürlich eine Steilvorlage für Huggel und Streller.

Es dauert keine fünf Minuten, bis die drei den eben noch leeren Raum mit Leben füllen. Hier ein Spruch, da ein Witz, dort ein «Hast du gehört, dass …?» Eigentlich müsste man ihnen jetzt schon ein Mikro in die Hand drücken und das Publikum einladen. Dabei beginnt der Auftritt erst in über einer Stunde.

In dieser Woche haben Benjamin Huggel, Marco Streller und Alex Frei zusammen auf einer Bühne gesessen. Es ist ihr erster öffentlicher Auftritt als Trio, seit sie nicht mehr spielen – und das ist ja auch schon wieder zehn Jahre her. 2015 beendete Streller als letzter von ihnen seine Laufbahn.

Jetzt sitzen sie dort oben und reden über ihre Karrieren. Im Hintergrund prangt ein Bild von ihnen als Spieler im rotblauen Trikot. Drei erfolgreiche Fussballer mit insgesamt 20 Schweizer-Meister-Titeln, elf Cupsiegen, zwei Torjäger-Kanonen und einer deutschen Meisterschaft. Genau dieses Bild hat sie immer verfolgt.

Es war nicht einfach für sie, den Fussballprofi hinter sich zu lassen und den nächsten Schritt zu machen. Manchmal hat es wehgetan, jedem von ihnen. Inzwischen scheinen sie einen Weg gefunden zu haben, zumindest vorerst. Doch das Erstaunliche ist: Keiner ist in einer offiziellen Funktion für einen Club tätig.

Es wirkt fast so, als habe der Fussball ihnen erst alles gegeben, nur um sie danach abzuweisen und wegzustossen.

Käsesommelier, Padelhallen und Musikfestival

Frei hat nach seinem Aus als Trainer beim FC Aarau im letzten März eine Ausbildung zum Käsesommelier abgeschlossen, das war schon immer sein Traum. Streller hat mit einem Partner mehrere Padelhallen eröffnet und ist seit letztem Jahr für die Partner-Akquise des Basler Musikfestivals Baloise Session zuständig. Huggel hilft Sportlern mit seinem «Athletes Network» dabei, den Übergang von der Karriere in den Alltag zu meistern.

Heute sind sie 47 (Huggel), 45 (Frei) und 43 (Streller) Jahre alt, allesamt zweifache Familienväter. Huggel war Trauzeuge bei Strellers Hochzeit und beide sind gegenseitig Götti ihrer Töchter. Ihre Geschichte geht weit über den Fussball hinaus und wird doch von ihm zusammengehalten. Der gemeinsame Nenner von drei sonst so unterschiedlichen Charakteren.

Drei Schweizer Fussballspieler, darunter Benjamin Huggel, Marco Streller und Alexander Frei, trainieren beim Lauftraining in Zürich 2005.

Streller und Huggel lernen sich schon früh kennen auf den Fussballplätzen rund um Basel. Irgendwann stösst auch Frei dazu, schon damals mit einem beneidenswerten Ehrgeiz ausgestattet. «Wenn du nicht 100 Tore in einer Saison schiesst, musst du gar nicht mit mir reden», hat der Stürmer Frei dem Stürmer Streller bei einer ihrer ersten Begegnungen gesagt.

Ihre Wege verlaufen unterschiedlich: Huggel setzt sich direkt beim FCB durch, mit 21 und nach einer Ausbildung als Landschaftsgärtner. Bei Streller braucht es den Umweg über Thun. Frei lanciert seine Karriere erst in Thun, in Luzern, in Genf so richtig. Trotzdem bleiben sie einander verbunden.

«Alex und ich haben als Kinder im gleichen Dorfverein gespielt. Ein paar Jahre später waren wir bei der WM 2006 im ersten Spiel das Sturmduo der Schweiz», erzählt Streller, «eine unglaubliche Geschichte.» Selbst für ihn klingt sie manchmal noch surreal. «Wo gibt es das denn sonst?»

Vom Dorfverein zum Schweizer Sturmduo bei der WM 2006

Ihre grösste Zeit haben die drei, als der FCB sie wieder vereint. Streller und Huggel kommen 2007 aus der Bundesliga zurück, Frei zwei Jahre danach. Zusammen prägen sie die erfolgreichste Ära des Clubs. Ein Titel nach dem anderen, Siege in der Champions League und eine Stimmung in der Kabine, die keiner vergessen hat, der damals dabei war.

Jeder hat seine Rolle: Frei, der Ehrgeizling mit den vielen Toren. Huggel, der auf dem Rasen und in der Kabine den Bösen mimt. Streller, der alle in den Arm nimmt. Streller sagt: «Wir sind verschieden, aber vertreten die gleichen Werte. Wir konnten uns aufeinander verlassen, darum waren wir auch so erfolgreich.» Frei ergänzt: «Wenn es gezählt hat, waren wir füreinander da.»

In den restlichen Stadien der Schweiz werden sie verlässlich ausgepfiffen – in Basel hingegen sind sie Könige. Vielleicht hatte man auch darum das Gefühl, dass es immer so weitergehen würde. Ging es aber nicht.

Ihr Beruf schadete Frei und Streller auch gesundheitlich

Rückblickend muss man sagen: Keiner von ihnen ist vorbereitet auf die Zeit danach. «Wir haben uns alle zu wenig Zeit gelassen, um herauszufinden, was wir gerne machen und was wir überhaupt können», sagt Huggel, «wir hätten uns drei Jahre Zeit nehmen sollen.» Stattdessen werfen sie sich mit voller Wucht in ihr zweites Leben.

Huggel arbeitet nach seinem Karriereende als Trainer im Nachwuchs. Er muss schnell erkennen, dass dort keiner auf ihn gewartet hat. «Ich dachte, die Leute finden es toll, wenn ich da bin und mit ihnen arbeite. Das war eine kolossale Fehleinschätzung, denn am Ende war ich ein Konkurrent.» Huggel merkt schnell: Trainer sein, das ist gar nicht das, was ihm wirklich gefällt.

Frei springt nach seinem letzten Spiel im April 2013 noch schnell unter die Dusche, ehe er Sportdirektor des FC Luzern wird. Anderthalb Jahre zerreibt er sich, bis zur körperlichen Erschöpfung. «Heute kann ich sagen: Die Zeit hat mir gutgetan. Es war schlecht für meine Gesundheit, aber es hat mir gezeigt, was ich will und was nicht.»

Streller tritt nach seinem letzten Spiel im Sommer 2015 immerhin für zwei Jahre in den Hintergrund – aber nur, um danach alle Stufen einer normalen Karriere zu überspringen: Sportchef des «neuen» FC Basel unter Präsident Bernhard Burgener und Verwaltungsrat, wie auch Frei. «Ich habe das total unterschätzt und musste es schmerzhaft erfahren», sagt Streller.

Diskussion beim Basler Fussball-Talk mit Marco Streller, Alex Frei und Benjamin Huggel, moderiert von Oli Gut im Kulturhuus Häbse in Basel. Hintergrund mit Bildern der FCB-Legenden.

Sie alle mussten erkennen, dass der Übergang nicht einfach ist. «Das, was du gut konntest, ist plötzlich nichts mehr wert», sagt Huggel. Sie wurden vom Gefragten zum Fragenden: Als Fussballer kam der Materialwart oder der Physiotherapeut oder der Teammanager: «Brauchst du noch was? Kann ich was für dich tun?» Aber irgendwann fragt keiner mehr.

Alle drei haben einen hohen Preis gezahlt und sind unter den Augen der Öffentlichkeit ins Straucheln geraten. «Unsere beruflichen Entscheidungen werden immer genau beobachtet. Wir konnten in unserer Lernphase nicht unter dem Radar fliegen», sagt Huggel. Beim kleinsten Fehler zeigten immer alle gleich mit dem Finger auf sie.

Streller wird heute noch von gewissen Aussagen verfolgt, die er im Übereifer als Sportdirektor getätigt hat. «Wir haben 17 Punkte Vorsprung vor YB. Da ist Raum, um etwas zu probieren», das ist so ein Satz. Und bei Frei war die Aufregung immer ein bisschen grösser als bei anderen Trainern des FC Wil, des FC Winterthur, des FC Aarau und selbst des FC Basel.

Heute sagt er: «Ich war irgendwann an einem Punkt, an dem ich mir selbst beweisen wollte: Ich kann noch etwas anderes als immer nur Fussball!»

Ganz ohne Fussball geht es nicht: Alle drei arbeiten inzwischen als TV-Experten

Sie haben sich vorerst für ein Leben ausserhalb des Fussballs entschieden. Der Spielplan bestimmt jetzt nicht mehr über Alltag und Gesundheit. Aber ganz ohne geht es auch nicht: Als Experten sieht man die drei regelmässig, entweder bei SRF oder bei Blue. Jetzt sind sie es, die die Arbeit anderer bewerten. So wie sie damals bewertet worden sind.

«Ich bin dankbar, dass ich mich lösen konnte», sagt Streller. Er kann jetzt wieder ins Stadion gehen, «seinen» FCB unterstützen und dann nach Hause fahren. «Ich nehme es nicht mehr mit. Es belastet mich nicht mehr.» Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis er an diesem Punkt angekommen ist.

Ausschliessen will keiner der drei, dass sie mal zurückkehren zum FC Basel oder in den Fussball generell. Aber aktuell scheint das weit weg. Benjamin Huggel, Marco Streller und Alex Frei haben ihren Weg gemacht und irgendwie auch ihren Frieden geschlossen.

Während ihres einstündigen Auftritts sagt Streller einen zentralen Satz, der fast ein bisschen untergeht: «Unsere Zeiten als Spieler waren erfolgreicher als die, die wir danach hatten.» Inzwischen kann er das so sagen, und auch «die andern zwei» können es. Vor ein paar Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen.

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Das ist Fussball.Hatte man in der Nationalmannschaftspause Zeit, um konkret taktische Dinge zu verbessern?Grössere Umstellungen kann man in dieser Phase der Saison nicht mehr vornehmen. Ausserdem ist die Nationalmannschaftspause schwierig, um taktische Dinge anzuschauen, weil viele Spieler weg sind. Hauptsächlich ging es darum, wieder voll fit zu sein für die entscheidende Saisonschlussphase.Gewinnt der FC Basel eher den Cup oder die Meisterschaft?Ich denke, statistisch gesehen ist es zu diesem Zeitpunkt einfacher, den Cup zu gewinnen. Zwei Spiele, zwei Siege, dann hat man den Titel. In der Meisterschaft sind wir zwei Punkte hinter dem Ersten, und es verbleiben noch neun Spiele, von denen wir fünf gegen die besten Teams der Liga bestreiten.Was ist eigentlich, wenn der FC Basel nach dieser Saison ohne Titel dasteht?In Anbetracht unserer momentanen Situation wäre das natürlich nicht schön. Denn wir waren schon lange nicht mehr so nahe dran, etwas zu holen. Aber es ist nicht an mir, irgendwelche Prognosen abzugeben.Dass seit der Rückrunde nicht mehr Sie die Captainbinde tragen, sondern Xherdan Shaqiri sie trägt, stört Sie nicht, oder?Nein, das stört mich nicht.Finden Sie es dennoch schade?Als ehemaliger FCB-Junior mit der Binde am Arm im Joggeli einzulaufen, erfüllte mich mit sehr viel Stolz. Aber wenn wir auch nur ein bis zwei Prozent besser werden, wenn ich die Binde abgebe, bin ich der Erste, der dazu bereit ist. Mit der Entscheidung hatte ich nie ein Problem, und sie hat nie meine Leistung beeinflusst.Seit diesem Jahr träft Xherdan Shaqiri die Captainbinde des FC Basel, nicht mehr Dominik Schmid.Foto: Marc Schumacher (Freshfocus)Was verändert sich, wenn man die Binde des FC Basel am Arm trägt?Gerade in den ersten Spielen hat es mich noch zusätzlich motiviert. Aber einen direkten Einfluss auf die Leistung hat das nicht. 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Wenn man nicht gut trainiert hat, war man sofort wieder in der U-21, man konnte sich keine Fehler erlauben, sonst wurde man von allen Seiten angeschrien. Eigentlich war es damals fast unmöglich, Profi zu werden.Dominik Schmid (links) und Geoffroy Serey Dié im Trainingslager des FC Basel in Rottach-Egern im Juni 2017.Foto: Andy Mueller (Freshfocus)Damals war der FCB aber auch noch der klare Ligakrösus.Ja, in der Saison 2016/17, in der ich hochkam, standen wir früh als Meister fest und wurden Cupsieger. Mit Suchy, Vaclik, Akanji, Lang, Serey Dié, Zuffi, Xhaka, Steffen, Janko, Doumbia hatten wir natürlich auch ein anderes Kader. Da hat man keinen Mucks gemacht. Man hat immer aufgepasst, was man gesagt hat, das Material versorgt und alles probiert, um sich Respekt zu verschaffen. Darum habe ich auch schnell gelernt, mit Druck umzugehen. Heute sind die jungen Spieler behüteter. In meinen Augen ist es heutzutage einfacher, Profi zu werden als noch vor zehn Jahren. Man könnte es den Jungen durchaus etwas schwieriger machen. (schmunzelt)Entwickelt sich der Fussball da in eine falsche Richtung?In gewissen Bereichen schon, ja. Und ich habe ehrlich gesagt Zweifel daran, dass das jemals wieder anders wird. Man sieht heute 13- und 14-Jährige auf Instagram mit Markenkleidern umherlaufen. Auf ihren Profilen hat man das Gefühl, dass sie schon Profifussballer sind. Aber eigentlich haben sie noch nichts erreicht und den eigentlichen Schritt noch vor sich. Diese Blase, in die man durch die sozialen Medien gerät, ist gefährlich. Ich würde für die Jungen ein Social-Media-Verbot einführen, bis man Profi ist.Ein Ziel, dass Sie noch nicht erreicht haben, ist ein Spiel für die Schweizer Nationalmannschaft. Beim Zusammenzug im März blieb Ihr Aufgebot von Murat Yakin aus. Können Sie das verstehen?Als ambitionierter Sportler verstehe ich den Entscheid von Yakin nicht. Aber ich respektiere ihn.Gründe dafür sehen Sie also keine?Nein. Ich habe auch keinen Anruf bekommen, in dem mir erklärt wurde, warum das Aufgebot ausblieb. Dieser Austausch fand nicht statt.Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Murat Yakin?Nun … (überlegt) Im September, als ich mein Aufgebot verletzungsbedingt nicht wahrnehmen konnte, hatte ich auch keinen Kontakt mit ihm. Das lief alles über Giorgio Contini. Das letzte Mal, dass ich mit Murat Yakin gesprochen habe, war beim Zusammenzug im März 2023.Dominik Schmid beim Zusammenzug der Schweizer Nationalmannschaft im März 2023.Foto: Marc Schumacher (Freshfocus)Von Fabio Celestini erhielten Sie Unterstützung. Er sagte, Sie seien auf dem richtigen Weg. Wie zuversichtlich sind Sie, dass bald ein weiteres Aufgebot kommt?Dafür bin ich Fabio natürlich dankbar. Ich werde weiter hart arbeiten und meine Argumente für ein Nati-Aufgebot auf Platz sammeln.Zusätzliche Spiele mit der Nationalmannschaft sind immer auch ein Risiko. Man hat es bei Alvyn Sanches gesehen, der sich im Testspiel gegen Nordirland einen Kreuzbandriss zuzog.Klar, mehr Spiele bedeuten ein grösseres Verletzungsrisiko. Aber deshalb würde ich nie auf ein Aufgebot verzichten, ich bin es mir ja gewohnt, viel zu spielen. Für Alvyn tut es mir extrem leid. Auch wenn es im Hinblick auf die Cup-Halbfinal-Partie gegen Lausanne natürlich ein Vorteil für uns ist, wenn er nicht dabei ist. Mir wäre es trotzdem lieber, er wäre gesund und würde spielen.Steigen mit dem Einstieg von Davide Callà in der Nationalmannschaft Ihre Chancen auf ein Aufgebot?Ich habe ihn bei seinem ersten Zusammenzug noch nicht damit belasten wollen. (lacht) Im Ernst: Für ihn freut es mich wirklich extrem. 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