Nie entlassen, nie abgestiegen – Helmut Benthaus feiert seinen 90. Geburtstag

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

Nie entlassen, nie abgestiegen – Helmut Benthaus feiert seinen 90. Geburtstag

Als Spielertrainer weckte Helmut Benthaus den FC Basel in den Sechzigerjahren aus dem Dornröschenschlaf. Nun begeht der Sportlehrer aus Köln, der im Fussball Grosses geleistet hat, im kleinen Rahmen seinen runden Geburtstag.

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Helmut Benthaus in seinem letzten Spiel als FCB-Trainer am 10. Juni 1987 auf der Schützenmatte, wo mit einem 7:0 gegen Wettingen der Abstieg aus der Nationalliga A verhindert wird.

Bild: Michael Kupferschmidt/Keystone

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Helmut Benthaus ist der erfolgreichste Trainer in der Geschichte des FC Basel. Aber weil man so etwas nicht ins Telefonbuch schreiben kann und Benthaus das auch nie tun würde – dafür ist er viel zu bescheiden –, steht dort hinter seinem Namen «Sportlehrer». Wobei: Auch auf diesen Begriff darf er zu Recht stolz sein, auch gut 60 Jahre nach dem Studienabschluss noch. Schliesslich zeugt der «Sportlehrer» davon, dass er es zu universitären Ehren gebracht hat – keine Selbstverständlichkeit für ein Arbeiterkind aus dem Ruhrpott.

30 Jahre alt ist er damals, als ihn Lucien Schmidlin nach Basel holt. Dem Präsidenten des FC Basel ist Benthaus erstmals sechs Jahre zuvor aufgefallen, als dieser Teil der deutschen Nationalmannschaft war, die die Schweiz mit 4:0 abfertigte. Danach verfolgt Schmidlin den Werdegang des achtfachen Nationalspielers, der 1964 mit dem 1. FC Köln deutscher Meister wird, ganz genau. Als Benthaus sein Sport- und Philologiestudium erfolgreich abgeschlossen hat, macht der Präsident Nägel mit Köpfen und schafft es, ihn nach Basel zu locken. «Unser Vorteil war», erzählte Schmidlin einmal, «dass wir in der Schweiz noch den Spielertrainer kannten.» Benthaus will spielen und tut dies auch sechs Jahre lang sehr erfolgreich.

In Basel darf er das umsetzen, was er in Praxis als Fussballspieler und in Theorie an der Sporthochschule Köln gelernt hat. Er baut die Mannschaft neu auf, verbessert die Fitness der Spieler und die Trainingsbedingungen. Nach einer Aufbausaison läutet er 1967 mit dem Titelgewinn die goldenen Zeiten des FCB ein. Von Spielen wie dem legendären Cup-Halbfinal gegen Lugano, dem an einem gewöhnlichen Mittwochabend 60’000 Zuschauer beigewohnt haben sollen, schwärmen Zeitzeugen von damals noch heute.

Helmut Benthaus bei seinem ersten Abschied vom FC Basel am 6. Juni 1982 im St. Jakob-Stadion. Rechts FCB-Präsident Roland Rasi mit dem Bild «La Bataille de St. Jacques».

Helmut Benthaus bei seinem ersten Abschied vom FC Basel am 6. Juni 1982 im St. Jakob-Stadion. Rechts FCB-Präsident Roland Rasi mit dem Bild «La Bataille de St. Jacques».

Bild: Keystone

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Während über anderthalb Jahrzehnte legt sich Benthaus ins Zeug, dann zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. «Ich weiss nicht, ob ich überhaupt weiterhin Trainer bleiben will», zitiert ihn die renommierte Fachzeitschrift «Sport» damals und schreibt: «Doch das wäre schade, wenn Benthaus ein Aussteiger würde; er kann und weiss in seinem Job so viel. Es muss ja wirklich nicht ein Leben lang der FC Basel sein.»

Benthaus schreibt Bundesliga-Geschichte

Das findet Helmut Benthaus offenbar auch und sucht nach 17 Saisons bei Rotblau beim VfB Stuttgart neue Impulse in seiner Trainerkarriere. Erstmals muss er sich damit aber auch ausserhalb seiner Komfortzone, zu der der FC Basel geworden ist, beweisen. Komfortzone deshalb, weil er am Rheinknie nach all den Erfolgen unangetastet war und in Ruhe arbeiten konnte; die medialen Erregungen in der Schweiz blieben überschaubar.

Ganz anders in Deutschland, wo es in der Berichterstattung über die Bundesliga ständig rumort. Doch Benthaus zeigt sich davon unbeeindruckt und führt den Verein, der zuvor oft für Negativschlagzeilen besorgt war, in der ersten Saison in ruhigere Gewässer, auf Rang 3 und so gleich in den Europacup.

Doch für den legendären Ex-Trainer Max Merkel, unter dem Benthaus einst als Spieler bei 1860 München eine ziemlich unerfreuliche Zeit erlebt hatte, ist das zu wenig. Als die Stuttgarter in der Folgesaison gegen die graue Maus Bayer Uerdingen verlieren, fragt Merkel in seiner «Bild»-Kolumne spöttisch: «Wann will der VfB eigentlich Deutscher Meister werden – noch in diesem Jahrhundert?» Ja, lautet die Antwort, und zwar schneller als vom Lästermaul gedacht.

Am letzten Tag der Saison 1983/84 kommt es zur «Finalissima» in Stuttgart: Der VfB darf nicht höher als 0:4 gegen den HSV verlieren, damit er erstmals seit 32 Jahren wieder die Meisterschaft gewinnt. Die Stuttgarter stellen nicht den Bus vors eigene Gehäuse, sondern Guido Buchwald und die beinharten Förster-Brüder. Den Hamburgern gelingt nur ein mickriges 1:0. Bilder von damals zeigen, wie Helmut Benthaus seinen Captain Hermann Ohlicher auf dem Spielfeld euphorisch herzigt: «Hermann, wir sind Deutscher Meister!» Doch nicht nur das: Helmut Benthaus ist der erste Spieler, der auch als Trainer die Bundesliga gewinnt.

Der Erste, der als Spieler und als Trainer Deutscher Meister wird: Helmut Benthaus präsentiert die Meisterschale nach dem Titelgewinn mit dem VfB Stuttgart 1984. –> <!–>

Der Erste, der als Spieler und als Trainer Deutscher Meister wird: Helmut Benthaus präsentiert die Meisterschale nach dem Titelgewinn mit dem VfB Stuttgart 1984.

Foto: Imago

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«Jener Titel war für mich besonders», lässt Benthaus später verlauten, «weil ich beweisen konnte, auch ausserhalb von Basel erfolgreich zu arbeiten.» Er wird zum Trainer des Jahres gewählt. Kein Wunder, fällt sein Name, als der Deutsche Fussball-Bund nach dem frühen Aus in der Vorrunde der EM 1984 einen Trainer sucht. Was nicht allen passt: Franz Beckenbauer spottet gegenüber einem «Bild»-Reporter über Benthaus: «Bei dem machen die Spieler vielleicht Abitur, gewinnen aber kein Spiel.» Schliesslich verweigert VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder seinem Trainer die Freigabe. Benthaus bleibt in Stuttgart, Bundestrainer wird stattdessen ausgerechnet – Franz Beckenbauer.

Eine 19., letzte Saison beim FC Basel

Helmut Benthaus erfüllt zwar seine Pflicht, merkt aber bald, dass er mit dem Verein den besten Moment hinter sich hat. Obwohl die Stuttgarter in jener Saison mit Rang 10 die Erwartungen nicht erfüllen können, vermag sich Benthaus einer Entlassung, wie sie im Fussballbusiness in vergleichbaren Situationen üblich ist, zu entziehen. Zu gross ist der Respekt vor dem, was er geleistet hat.

Das ist auch beim FC Basel nicht anders, zu dem er nochmals zurückkehrt. In der zweiten und insgesamt 19. Saison bei Rotblau spielt Benthaus gar erstmals gegen den Abstieg und vermag ihn dank eines 7:0-Siegs gegen Wettingen auf der übervollen Schützenmatte, zu dem Erni Maissen vier Tore beisteuert, in letzter Minute zu verhindern. Es ist seine letzte Saison für den Verein. Des Fussballgeschäfts endgültig müde, steigt er nun doch aus – und der FCB bezeichnenderweise ein Jahr später ohne ihn ab.

Helmut Benthaus in seinem Garten in Riehen am 26. März 2015.

Helmut Benthaus in seinem Garten in Riehen am 26. März 2015.

Bild: Georgios Kefalas/Keystone

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Am Donnerstag wird er nun 90 Jahre alt. Kurzer Blick ins Telefonbuch und Anruf beim «Sportlehrer». «Es gibt eine kleine Feier im engeren Familienkreis», sagt Benthaus, der nach seiner Zeit im Fussball bis zur Pensionierung bei der National-Versicherung arbeitete. Er verbringt viel Zeit im Garten hinter dem Haus in Riehen, geht gerne spazieren und trifft sich jede Woche mit der FCB-Seniorengruppe: «Die Jüngeren machen ein Mätschli, wir Älteren stossen später dazu. Dann gehen wir alle zusammen essen.» Auch die Heimspiele von Rotblau schaut er sich vor Ort im Joggeli an. Schliesslich ist der FCB sein Herzensclub: «Da freue ich mich immer darauf.»

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