«Man stellt sich immer das Schlimmste vor»: Xherdan Shaqiri über Zweifel an seiner FCB-Rückkehr, Freiheiten und die Nati

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

«Man stellt sich immer das Schlimmste vor»: Xherdan Shaqiri über Zweifel an seiner FCB-Rückkehr, Freiheiten und die Nati

Er ist die grosse Figur der Super League: Xherdan Shaqiri. Der 33-Jährige ist seit August zurück bei «seinem» FC Basel. Im grossen, persönlichen Interview spricht er über den Mut, den seine Rückkehr erforderte, was es mit der «Tour de Shaq» auf sich hat und welche Kritik er gegenüber der FCB-Führung äusserte.

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Sein Zuhause, sein Wohlfühlort, sein Klub: Xherdan Shaqiri ist zurück beim FC Basel. <!–>

Sein Zuhause, sein Wohlfühlort, sein Klub: Xherdan Shaqiri ist zurück beim FC Basel.

Bild: Andrea Zahler

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Sie sagten bei unserem Besuch im Jahr 2017, Sie würden gerne einmal in den USA leben. Weil man dort frei wäre, unerkannt, obschon man berühmt ist. Diesen Traum haben Sie sich mit Ihrer Zeit in Chicago erfüllt. Wie konnten Sie diese neue Freiheit nutzen?

Xherdan Shaqiri: Wenn ich am Flughafen Chicago gelandet bin, bin ich einfach rausspaziert. In Zürich oder Basel muss ich mich mit Kappe und Kapuze tarnen, wenn ich keinen Rummel auslösen will. Oder ich konnte am Spieltag Kaffee trinken gehen mit unserem Trainer und mit einem Spieler der gegnerischen Mannschaft plaudern, den man zufällig angetroffen hat. Stellt euch mal vor, was hierzulande losgewesen wäre. Je länger ich jedoch da war, desto mehr wurde ich dennoch erkannt. Vor allem von Latinos, die viel Fussball schauen.

Fehlen Ihnen diese Freiheiten jetzt, da Sie zurück in der Schweiz sind?

Na ja, ich kann einfach einige Dinge nicht mehr so machen wie in den USA. Hier erkennt mich jeder, egal wo ich hingehe. Die Menschen sagen mir Hallo, fragen nach Selfies oder möchten mit mir über Fussball diskutieren. Wirklich frei bewegen kann ich mich selten.

Was würden Sie in Basel machen, wenn Sie kurz unsichtbar sein könnten?

Das ist hypothetisch und darum eine schwierige Frage. Aber vielleicht würde ich gemütlich durch die Stadt spazieren oder auch mal am Abend in der Innenstadt fein essen gehen, das habe ich seit meiner Rückkehr noch gar nicht getan.

Ins Schwimmbad würden Sie auch gerne, sagten Sie zumindest einmal.

Das stimmt. Ich war immer gerne im Schwimmbad, aber jetzt habe ich keine Chance mehr, solche Dinge zu tun.

Je länger die Saison dauert, desto mehr strahlt Xherdan Shaqiri im Dress des FCB. Aktuell liegt er nach elf Pflichtspielen bei drei Toren und sieben Assists.

Je länger die Saison dauert, desto mehr strahlt Xherdan Shaqiri im Dress des FCB. Aktuell liegt er nach elf Pflichtspielen bei drei Toren und sieben Assists.

Bild: Andrea Zahler

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Wagen Sie es aktuell überhaupt, in Ihrer Freizeit rauszugehen?

Mit meinen Eltern oder meinen Schulkollegen von früher unternehme ich schon Dinge an Orten, wo wir ungestört sein können. Diese Plätze gibt es durchaus. Aber wenn du um 5 Uhr morgens beim Tanken schon angesprochen wirst, zeigt mir das, wie gross der Rummel und die Euphorie ist. Daher verbringe ich momentan noch viel Zeit damit, zu Hause, alleine oder mit meiner Familie auf dem Sofa zu sitzen und abzuschalten.

Können Sie den Rummel ansatzweise auch geniessen?

Anerkennung und Komplimente sind immer schön, und ich versuche mir wirklich immer für alle, die zu mir kommen, Zeit zu nehmen. Aber wenn dich während eines Essens – in der Schweiz und erwachsene Personen, wie ich anmerken will – Menschen ansprechen und quasi während des Hauptgangs Selfies wollen, kann mir das schon zu weit gehen. Auch im Ausgang, wenn Alkohol im Spiel ist, müssen meine Kollegen gelegentlich als Bodyguard fungieren und zu aufdringliche Menschen abwimmeln.

Zur Person

Xherdan Shaqiri wurde am 10. Oktober 1991 in Gjilan (heutiger Kosovo) geboren. Noch bevor der Krieg ausbrach, flohen seine Eltern in die Schweiz. In Augst (BL) wuchs Xherdan in einem Bauernhaus auf und trat dem Dorfklub SV Augst bei. Mit acht Jahren wechselte er in die Jugendabteilung des FC Basel, wo er mit 17 Jahren im Juli 2009 als Profi debütierte. Drei Jahre, drei Meister- und zwei Cuptitel später wechselte er zum grossen FC Bayern München, mit dem er in der ersten Saison das Triple gewann. Insgesamt gewann er dreizehn Titel. Seine weiteren Stationen hiessen Inter Mailand, Stoke City, Liverpool, Olympique Lyon und Chicago Fire. Seit dem 16. August ist er zurück beim FC Basel. Nach der EM im Sommer ist der 33-Jährige nach 125 Länderspielen (32 Tore, 34 Assists) aus der Schweizer Nationalmannschaft zurückgetreten. (cfe)

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Kein Schweizer Fussballer ist wohl annähernd so populär wie Sie. Können Sie erklären, wieso Sie die Massen so bewegen?

Ich verstehe es selbst nicht genau. Die Menschen scheinen meinen Fussball-Stil zu mögen und auch meinen Charakter. Der ist am Schluss entscheidend, ob du gemocht wirst oder nicht. Ich bin offen, bodenständig, habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen.

Ihre Rückkehr in die Schweiz hat den Rummel um Sie nicht kleiner gemacht. Waren Sie ob der Ausmasse des Hypes überrascht?

Ja, diese Rieseneuphorie hatte ich so nicht erwartet. Die Geheimhaltung des Transfers hat sicher auch dazu geführt, dass die Fans die Nachricht besonders berührt hat. Dass wir jetzt auch noch einen Lauf haben, schürt die gute Stimmung weiter.

Mehrere tausend Menschen kamen, um Xherdan Shaqiri drei Tage nach seinem Wechsel beim Joggeli zu empfangen. –> <!–>

Mehrere tausend Menschen kamen, um Xherdan Shaqiri drei Tage nach seinem Wechsel beim Joggeli zu empfangen.

Bild: Claudio De Capitani

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Sie haben Ihre Rückkehr gar vor Ihren Freunden verheimlicht.

Ich habe am Tag, an dem ich am Abend in die Schweiz geflogen bin, noch mit Amir Abrashi (GC-Captain, Anm. d. Red.) via Facetime telefoniert. Er ist einer meiner besten Freunde. Es war 16 Uhr, um 19.30 Uhr ging mein Flug. Da habe ich ihm gesagt, dass ich noch nichts Neues wisse bezüglich einer FCB-Rückkehr, dass ich nicht wisse, was ich machen solle.

Als Ihre Rückkehr öffentlich langsam ein Thema wurde, wagten Sie jedoch einen Stadionbesuch: Beim ersten Heimspiel gegen Lugano. Welchen Eindruck hatten Sie da vom FCB?

Die Mannschaft wirkte damals noch nicht so geschlossen wie heute. Auch taktisch gab es ein paar Situationen, in denen ich zu meinem Bruder neben mir sagte: Da stimmt das Timing oder die Entscheidung nicht. Ich sah aber auch das Positive: Dass das Potenzial da ist, dass sie es besser machen können. Mittlerweile kann ich diese Beobachtungen im Training einbringen. Die Jungs wissen jetzt auch, wie ich ticke, wie ich es meine und dass sie von anderen Spielern viel abschauen können. Das bringt einen nur weiter. Bei mir was das genauso: Ich habe von Franck Ribéry und Arjen Robben bei Bayern auch sehr viel abgeschaut. Das war für mich das Grösste, von ihnen lernen zu können. Und irgendwann auch merken zu können: Ich kann mit denen mithalten und muss mich nicht verstecken.

Haben Sie in den Saisons zuvor, gerade in dieser letzten, katastrophalen, viele Spiele des FCB geschaut?

Da ich in den USA war, war es mit der Zeitverschiebung schwierig. Aber ich wusste, dass der FCB nicht – oder noch nicht – dort ist, wo er wieder sein sollte. Es war nicht immer nur interessant, die Spiele des FCB zu schauen, weil sie nicht den besten Fussball spielten. Aber klar, seinen Herzensverein verfolgt man immer überall auf eine gewisse Weise. Und ja: Mein Herz hat geblutet, als sie zu Hause 0:3 gegen Lausanne-Ouchy verloren. Die sind mittlerweile abgestiegen … Jetzt sind wir an einem anderen Punkt. Zum Glück. Das merkt man auch, dass wirklich ein anderer Wind weht.

Zurück beim Herzensklub: Xherdan Shaqiri ist seit August wieder Spieler des FC Basel.

Zurück beim Herzensklub: Xherdan Shaqiri ist seit August wieder Spieler des FC Basel.

Bild: Andrea Zahler

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Auch neben dem Platz gab es beim FC Basel in den letzten Jahren viele Diskussionen. Haben Sie das mitbekommen?

Klar habe ich das mitbekommen. Man musste sich in den Medien zu oft erklären, und die Resultate auf dem Platz wurden von allen Seiten kommentiert. Es war eine unruhige Zeit im Klub, was sich auch auf die Mannschaft übertragen hat. Der FCB hat sich diesbezüglich aber sehr verbessert, ist ruhiger geworden. Im Klub intern, auf der Geschäftsstelle. Es geht wieder mehr darum, auf dem Fussballplatz erfolgreich zu sein, statt um Nebenschauplätze. Dass mein Transfer nicht vorzeitig rauskam, ist ein gutes Beispiel dafür und zeigte mir, dass es in die richtige Richtung geht.

Diese Nebenschauplätze sind etwas, was Sie beispielsweise in Ihrer Zeit bei Inter störte. Sie bezeichneten es als «Casino» und sagten, dass Sie es schätzen, wenn alles geregelt ist. Haben Sie diese Dinge dementsprechend bei Präsident David Degen angesprochen?

Ich bin jemand, der ehrlich und direkt ist und sagt, wenn ich etwas nicht gut finde. Darum habe ich auch mit der Führung gesprochen und meine Eindrücke geteilt. Wo ich beispielsweise Verbesserungspotenzial sehe. Nicht nur im sportlichen Bereich, sondern auch in der Kommunikation oder im Menschlichen. Diese Gespräche waren und sind immer sehr offen und professionell. Es ist wichtig, dass wir einen guten und ehrlichen Austausch haben. So wie die Situation im Moment ist, ist es sehr gut.

Sie kennen David Degen schon lange. Haben Sie zu ihm einen anderen Zugang als andere Spieler im Team?

Ich hatte in meiner Karriere mehr mit seinem Zwillingsbruder Philipp zu tun, weil ich früher noch mit ihm gespielt hatte. Mit Dave habe ich nur kurz in der Nati zusammengespielt. Wir haben uns aber immer wieder gesehen, im Urlaub oder sonst wo. Dave und seinen Bruder trifft man ja immer wieder an verschiedenen Orten an. (Lacht.) Aber ich muss sagen: Er war zusammen mit Sportdirektor Daniel Stucki natürlich wichtig bei den Gesprächen bezüglich meiner Rückkehr.

War für Sie immer klar, dass Sie eines Tages zum FC Basel zurückkehren möchten?

Im Fussball weisst du nie. Als ich den Vertrag mit Chicago aufgelöst habe, kamen Telefonate von allen Seiten. Aber da war ich mit Basel schon in fortgeschrittenen Gesprächen und ja, die Rückkehr zum FCB wollten beide Seiten unbedingt, sonst wäre der Transfer nicht zustande gekommen.

Sie bezeichneten die Rückkehr als mutig. Warum?

Es gab schon einige Beispiele von Rückkehrern, bei denen es am Ende nicht wie gewünscht lief. Die Erwartungshaltung ist gross, gerade bei einem Spieler wie mir. Aber ich bin ja auch ein mutiger Spieler, habe an meine Qualitäten geglaubt und auch an die des Klubs, der wieder in Sphären will, in denen um etwas gespielt wird.

Hatten Sie dennoch Zweifel, dass Ihre Rückkehr erfolgreich würde?

Zu 100 Prozent. Man stellt sich auch immer das Schlimmste vor, was passieren könnte.

Auch Sie, der stets positiv ist und ein grosses Selbstvertrauen hat?

Sicher. Es läuft nicht immer alles perfekt. Das hat man ja auch in den ersten Spielen gesehen. Deswegen gab es zurecht Kritik, weil alle erwarteten, dass ich ab Tag eins überperforme und liefere. Aber ich wusste, dass ich eine gewisse Anlaufzeit brauchen würde, und konnte damit gut umgehen.

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Sie sind dann relativ rasch zum Herzen dieser Mannschaft geworden, sind mittlerweile mit zwei Toren und sieben Assists Co-Topskorer der Liga. Wie viel Geduld hatten Sie effektiv mit sich selbst, um sportlich wieder abzuliefern?

Ich bin mit zunehmendem Alter sicher geduldiger geworden. Ich habe von Beginn an an den Prozess geglaubt. Dass ich jetzt schon wieder dastehe, ist ein Resultat von harter Arbeit und klaren Zielen. Ich bin nicht hierhin gekommen, um Ferien zu machen. Ich will etwas zeigen und das ist mir jüngst sehr gut gelungen. Das spüren auch die Menschen, glaube ich. Und dank der guten Leistungen auf dem Platz hören die Jungs in der Kabine natürlich noch besser zu.

Sie investierten viel, um schnell auch auf dem Rasen liefern zu können. Nach Ihrer Rückkehr sind Sie regelmässig auf den Gempen geradelt. Haben Sie weitere Dinge angepasst, um schneller auf Ihr Level zu kommen?

Diese Velotouren habe ich sehr genossen. Ich habe zu unserem Fitnesscoach kürzlich gesagt, dass wir diese «Tour de Shaq» wieder mal machen müssen. Das hat sehr viel Spass gemacht, auch wenn es bergauf hart war. Aber ja, wenn man älter ist, muss man mehr auf sich achten. Ich bin auch öfter beim Physiotherapeuten als früher.

Schon in seiner ersten Zeit beim FCB avancierte Xherdan Shaqiri zum Aushängeschild und Star des Klubs.

Schon in seiner ersten Zeit beim FCB avancierte Xherdan Shaqiri zum Aushängeschild und Star des Klubs.

Bild: Andreas Meier / Freshfocus

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Das zahlt sich scheinbar aus, Sie wirken fit.

Ich fühle mich wirklich sehr gut im Moment, ja. Ich bin im Flow, mache jedes Training voll mit.

Und nicht einmal die Muskeln, die Sie in Ihrer Karriere insgesamt 170 Spiele kosteten, zwicken.

Ich war ja nie lange verletzt, musste mich nie operieren lassen, hatte nie Probleme am Knie, der Hüfte oder den Gelenken. Das möchte ich betonen. Holz anfassen, dass das so bleibt. Aber am Anfang, nach meiner Rückkehr, hatte ich schon ein bisschen Schmerzen an der Wade. Das habe ich nie öffentlich gesagt, man hat es aber, denke ich, gesehen. Ich konnte nicht ganz rundlaufen, habe ab und an zurückgezogen. Das war alles in der Adaptionsphase. Da musste ich mich auch noch ans Training gewöhnen, das hier schon härter ist als in Amerika. Aber seit ich keine Schmerzen mehr habe, sieht man, dass ich ein ganz anderer Spieler bin. Ich bin wieder zu 100 Prozent ich, kann diese Läufe machen und Pässe spielen. So kann ich der Mannschaft auch am meisten helfen.

Bei Ihren letzten Stationen waren Sie oft einfach einer von vielen Spielern eines Klubs. In Basel wird auch der Mensch Xherdan Shaqiri wieder so richtig geschätzt. Inwiefern beeinflusst das Ihre aktuelle Verfassung?

Klar ist das wichtig für mich. Daheim zu sein, ist für mich das Allerschönste. Ich sehe meine Eltern jeden Tag, habe jeden Tag ein gutes Gefühl. Wenn ich aufstehe, sehe ich mein Meistertrikot, das mir immer Motivation liefert. Hier bin ich aufgewachsen, in diesem Stadion habe ich meine ersten Profispiele bestritten. Dementsprechend speziell war auch das Comeback gegen Yverdon. Da war ich sogar ein bisschen nervös. Und ich bin eigentlich selten nervös.

Vier Monate ist dieses Spiel nun her. Die FCB-Offensive ist mit Ihnen mit grossem Abstand zur besten der Liga geworden. Zuletzt erzielte das Team einige Traumtore. Spüren Sie dieses Momentum auch?

Es steckt viel harte Arbeit dahinter, aber mittlerweile wissen die Mitspieler, wie sie in die Tiefe laufen müssen, wenn ich den Ball kriege. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Ball ankommt, auch in schwierigen Situationen. Langsam haben wir diese Mechanismen drin, ja.

Am 25. August feierte Xherdan Shaqiri nach zwölf Jahren sein Comeback beim FC Basel. «Da war ich sogar ein bisschen nervös. Und ich bin eigentlich selten nervös», gibt er zu. –> <!–>

Am 25. August feierte Xherdan Shaqiri nach zwölf Jahren sein Comeback beim FC Basel. «Da war ich sogar ein bisschen nervös. Und ich bin eigentlich selten nervös», gibt er zu.

Bild: Andrea Zahler

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Ist es in der Schweiz für Sie einfacher, spielerisch zu glänzen, als es das bei Chicago war?

Mehr Platz habe ich nicht unbedingt, denn auch hier versuchen die Gegner natürlich, mir keinen Raum zu geben. Im Moment spielt vieles für uns. Aber wir dürfen das erspielte Selbstvertrauen gerne mitnehmen und zeigen.

Die letzten sechs Spiele mit fünf Siegen waren allesamt Duelle mit Teams aus der zweiten Hälfte der Tabelle. Kommt jetzt mit Servette eine echte Bewährungsprobe?

Ja. Wir haben noch nicht bewiesen, dass wir in wichtigen Spielen die bessere Mannschaft sein können. Gegen Zürich, YB oder Luzern waren wir nah dran. Jetzt bin ich selbst gespannt, wie wir uns gegen Servette und in den weiteren Spielen bis Ende Jahr schlagen werden. Wir haben den Sprung in die Spitzengruppe geschafft. Jetzt gilt es, diese Position zu verteidigen. Je länger wir da oben mitspielen, desto eher können wir beginnen, über andere Ziele zu sprechen. Wenn man eines Tages Titel gewinnen will, braucht man vor allem Konstanz.

Ist der nächste Schritt für diese Mannschaft, dass sie auch in diesen grossen Spielen bestehen kann?

Ja, am Ende des Tages sind das die Spiele, in welchen man sieht, wie gut eine Mannschaft wirklich ist. Es sind Spiele, in denen man bereit sein muss.

Xherdan Shaqiri nahm sich im Mediencenter des FC Basel zwei Stunden Zeit für das Gespräch.

Xherdan Shaqiri nahm sich im Mediencenter des FC Basel zwei Stunden Zeit für das Gespräch.

Bild: Andrea Zahler

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In diesen Spielen sind Sie als Führungsspieler besonders gefordert. Wie interpretieren Sie diese Aufgabe?

Ich will vorangehen und mache das. Wir machen vor Anpfiff wieder einen Mannschaftskreis, in dem ich dem Team noch einmal sage, worum es geht. Auch sonst rede ich viel mit den jüngeren Spielern. Wenn jemand einen Psychologen braucht, bin ich da. (Lacht.) Wobei ich sagen muss, dass die jungen Spieler heute mental reifer sind als zu meiner Anfangszeit.

Sie waren aber auch früh reif, gerade mental.

Ja, okay. Aber es ist heute dennoch etwas anderes. Die jungen Spieler sehen schon mit 16 Jahren Videos von sich im Internet, können alles posten und sich inszenieren. Ich musste schon froh sein, wenn mein Doppelpack in der U21 gegen Breitenrain in einer Mini-Nachricht überhaupt den Weg in die Lokalzeitung fand.

Sie sind nicht nur Führungsspieler, sondern auch eine der wenigen Identifikationsfiguren. Inwiefern sind Sie diesbezüglich gefordert?

Ich erzähle den Jungen immer wieder, was passiert, wenn man hier etwas gewinnt. Das ist wichtig, ihnen die Geschichte des FC Basel zu vermitteln, damit sie sich diese auch einprägen können. Denn wir wissen alle: In den letzten sechs, sieben Jahren sind hier viele Spieler gekommen und gegangen, ausgeliehen worden, und so weiter. Viele wussten wohl gar nicht, um was es hier geht, um was es beim FC Basel geht. Ihnen das aber zu vermitteln, ist uns Identifikationsfiguren wichtig. Basel war immer ein Ort, an dem hart gearbeitet wurde und an dem man dadurch erfolgreich wurde. Das müssen sie lernen.

Sie selbst sagten einmal, dass Sie in Ihrer Karriere, in welcher Sie bei grossen Klubs gespielt haben, beim kleineren Stoke City am meisten gelernt hätten. Was genau?

Wenn man mit Stoke bei Manchester City zu Gast ist, muss man neunzig Minuten lang verteidigen. So etwas lernt man dann. Und mit weniger Ballbesitz die wenigen Chancen zu nutzen, die man hat.

Drei Jahre lang trug Xherdan Shaqiri das Dress von Stoke City. Es waren seine lehrreichsten Jahre. Noch heute besitzt er ein Haus in Manchester, wo er immer wieder auf einen Besuch zurückkehrt. –> <!–>

Drei Jahre lang trug Xherdan Shaqiri das Dress von Stoke City. Es waren seine lehrreichsten Jahre. Noch heute besitzt er ein Haus in Manchester, wo er immer wieder auf einen Besuch zurückkehrt.

Bild: Michael Sedgwick/Freshfocus

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Sie hatten sonst illustre Klub-Stationen, haben auch sieben grosse Turniere mit der Nationalmannschaft gespielt und dementsprechend vieles erlebt. Gibt es einen Moment, der Sie speziell beeindruckt hat – nicht nur sportlich?

Es gibt so viele Geschichten. 2010 beispielsweise an der WM in Südafrika, meinem ersten Turnier, stand zur Sicherheit rund um die Uhr bei jedem Zimmer ein Soldat vor unserer Tür. Ein 2 Meter grosser Südafrikaner, in der Hand eine riesige Waffe. Ebenfalls in Südafrika waren wir einmal auf dem Rückweg ins Hotel, und links und rechts von der Strasse brannten die Felder. Das war verrückt! Wir waren da auch mal gleichzeitig wie die Medienschaffenden im Casino, haben an Tischen nebeneinander gespielt. Da kam nichts raus, das waren andere Zeiten, ohne Social Media. Aber auch die riesige Fussball-Euphorie in Brasilien an der WM 2014 hat mich beeindruckt.

Apropos Brasilien: Sie waren als Kind ein grosser Fan von Ronaldo, trugen einst seine ikonische Frisur und wünschten sich nichts sehnlicher als ein Trikot mit seinem Namen zum Geburtstag. Gibt es dieses Shirt noch?

Ich hoffe sehr, dass das noch irgendwo ist. Aber ich muss meine Mutter fragen. Das war ein sehr schönes Geschenk, auch wenn das Trikot nicht original war. Ich war ein grosser Fan. 1998 habe ich sogar geweint, als Brasilien gegen Frankreich ausgeschieden ist.

Xherdan Shaqiri schliesst ein Nati-Comeback nicht aus. Aktuell liegt der Fokus aber klar auf dem FC Basel.

Xherdan Shaqiri schliesst ein Nati-Comeback nicht aus. Aktuell liegt der Fokus aber klar auf dem FC Basel.

Bild: Andrea Zahler

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Sie haben im Sommer nach der EM Ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft gegeben, nach 125 Spielen mit 32 Toren und 34 Assists. Verfolgen Sie die Mannschaft noch?

Ja, klar verfolge ich sie weiter. Das Spiel gegen Spanien am Montag habe ich während eines Essens im Restaurant auf dem Handy geschaut. Das Serbien-Spiel in Ruhe zu Hause.

Was denken Sie, wenn Sie sehen, dass es Ihren alten Kollegen so gar nicht läuft, wie jüngst in der Nations League?

Es sind sicher nicht die Resultate, die man von ihnen erwartet hatte. Aber es ist auch klar, dass es im Fussball Höhen und Tiefen gibt. Die Abgänge von Yann Sommer, Fabian Schär und mir waren schwerwiegend. Das ist nicht so einfach zu ersetzen. Ich hoffe natürlich, dass die Nati so schnell wie möglich aus diesem Loch herauskommt.

In Ihrer Verfassung wären Sie ein Kandidat, der dabei helfen könnte. Kribbelt es nicht bereits wieder in Ihnen, um den Rücktritt vom Rücktritt zu geben?

Im Moment nicht, nein.

125 Mal lief Xherdan Shaqiri für die Schweizer Nationalmannschaft auf und lieferte dabei magische Momente wie dieses Tor an der EM 2016 gegen Polen – sein schönstes Tor, wie er sagt. –> <!–>

125 Mal lief Xherdan Shaqiri für die Schweizer Nationalmannschaft auf und lieferte dabei magische Momente wie dieses Tor an der EM 2016 gegen Polen – sein schönstes Tor, wie er sagt.

Bild: Mast Irham / EPA

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Auch nicht, wenn Sie sehen, dass Ricardo Rodriguez an Ihnen vorbeizieht, was die Anzahl Länderspiele angeht?

Ich habe schon immer gesagt, dass mir diese Zahlen nicht so wichtig sind. Ich will als einer der besten Spieler in Erinnerung bleiben und nicht aufgrund irgendwelcher Zahlen. 125 Länderspiele sind eine schöne Marke, um aufzuhören. Und aktuell spüre ich, wie wichtig es für mich ist, mich in den Nati-Pausen auch mal erholen zu können. Im Moment gibt es überall auf der Welt einfach viel zu viele Spiele.

Also sehen wir Sie nie mehr im Dress der Schweizer Nationalmannschaft?

Man weiss nie im Fussball. Aber im Moment ist diese Türe geschlossen.

Sie wurden vor kurzem 33 Jahre alt, sind zurück zu Hause. Gibt es im Herbst Ihrer Karriere eigentlich noch Träume, die Sie sich nie erfüllt haben, und denen Sie nachtrauern?

Wenn man weiss, woher ich komme, hätte ich nie gedacht, dass ich so eine Karriere hinlegen würde. Ich meine: Ich komme aus dem kleinen Augst im Kanton Baselland und aus einer Familie ohne grosse Mittel. Aber mit harter Arbeit, ein bisschen Talent und Bodenständigkeit kann man viel erreichen. Dass ich mit meinem Fussball ein ganzes Land so beeindrucken kann, hätte ich nie gedacht.

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