
FCB-Abwehrchef im Interview: Adrian Barisic: «Ist man als Mensch reif, ist man es auch als Fussballer»
Dieser Artikel wurde von BAZ publiziert.
AboFCB-Abwehrchef im Interview
«Ich muss um meinen Platz in der Startelf kämpfen», sagt Adrian Barisic
Nach einem Muskelfaserriss war der 24-Jährige gezwungen, einen Gang runterzuschalten. Jetzt spielt er sich Schritt für Schritt zurück – und will beim FC Basel bleiben.

Adrian Barisic ist stark mit dem Kopf – nicht nur beim Fussball. Er sagt: «Ich hatte in der Schule immer gute Noten.»
Foto: Peter Rinderer (Expa/Freshfocus)
- Trotz Verletzung leistete Barisic einen wichtigen Beitrag zum Double.
- Der 23-jährige Abwehrchef lebt seit seinem sechzehnten Lebensjahr selbstständig.
- Barisic hat Fussballkollegen, die – wie sein vormaliger Trainer Fabio Celestini – in Russland unter Vertrag stehen.
- Neben seiner Fussballkarriere liest Barisic viel – und interessiert sich für das Weltgeschehen.
Adrian Barisic, müssen wir uns mit dem Gespräch beeilen, weil sie nächstens den Club wechseln?
Adrian Barisic: Nein, danach sieht es momentan nicht aus.
Doch Momente sind flüchtig …
Ich weiss auch, dass sich das rasch ändern kann. Aber es müsste schon ein sehr gutes Angebot kommen. Denn ich fühle mich wohl in Basel, bin inzwischen etwas heimisch geworden. Und die Perspektive, mit dem FCB Europa League oder gar Champions League zu spielen, ist enorm reizvoll.
Hat sich seit dem letzten Sommer etwas verändert? Damals hiess es, dass Sie gehen wollen.
Es wurde so dargestellt, als würde ich gehen wollen. Aber ich habe sogar auf meinem Instagram gepostet, dass das nicht stimmt. Nach dem achten Platz in der letzten Saison war es mein Ziel zu bleiben, um zu zeigen, dass wir eigentlich eine richtig starke Mannschaft sind. Auch wenn ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht hätte, dass wir ein Jahr später gleich das Double holen. Und dann noch das erste seit acht Jahren.
Sie sprechen es an, Sie haben mit dem FCB das Double gewonnen. Auch wenn Sie am Ende der Saison aufgrund Ihrer Verletzung nicht mehr oft mittun konnten.
Vor meiner Verletzung stand ich in 28 Ligaspielen 27-mal in der Startelf, und wir hatten uns an die Tabellenspitze gespielt. Und dann, als es gerade am meisten Spass gemacht hätte, habe ich mich bei der bosnischen Nationalmannschaft verletzt, mir einen Muskelfaserriss zugezogen.
Wie haben Sie dann die letzten Wochen der Saison erlebt?
Zuerst war ich frustriert. Dann setzte nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein mentaler Heilungsprozess ein. Ich erfreute mich an der Mannschaft. Und ich realisierte gegen Ende, dass ich bis zu meiner Verletzung in 27 von 28 Partien gespielt und so einen schönen Beitrag zum Double geleistet hatte. Am Ende der Saison fühlte ich mich wirklich glücklich.
Kurz vor Ende der Saison wären Sie wieder einsatzbereit gewesen. Dennoch schafften Sie es nicht mehr in die Startelf. Haben Sie das verstanden?
Die Rückkehr nach einem Muskelfaserriss ist ein langwieriger Prozess. Man ist zwar wieder im Aufgebot, kann im ersten Spiel aber nur 15 Minuten spielen, im zweiten 45 Minuten und so weiter. In dieser Phase der Saison habe ich verstanden, dass wir nicht die Gelegenheit hatten, um mich nach diesem Muster aufzubauen. Natürlich will ich so viel wie möglich spielen. Aber es wäre respektlos von mir, zu sagen, dass Nicolas Vouilloz und Jonas Adjetey es nicht genauso verdient hatten. Sie haben in dieser Zeit viele gute Spiele gemacht, und ein grosser Teil des Doubles ist auch ihnen zu verdanken.
Müssen Sie sich nun Ihren Platz zurückerobern?
Ich hatte auch vorher nicht das Gefühl, dass etwas garantiert ist. Aber in dieser Vorbereitung ist der Gedanke schon präsenter, dass ich um meinen Platz in der Startelf kämpfen muss. Dieselben Gedanken werden sich aber auch Vouilloz und Adjetey machen, obwohl sie zuletzt immer spielten. Da wir einen neuen Trainer haben, muss sich sowieso jeder Spieler neu beweisen. Ausser vielleicht Xherdan Shaqiri. (lacht)

«Der Gedanke ist nun präsenter, dass ich um meinen Platz in der Startelf kämpfen muss.» Adrian Barisic (links) im Trainingslager in Schruns gegen Kevin Carlos.
Foto: Claudio Thoma (Freshfocus)
Der vormalige Trainer ist nun bei ZSKA Moskau. Vom Balkan kommend, unterscheidet sich Ihr kultureller Hintergrund von jenem von uns Schweizern. Was halten Sie von Fabio Celestinis Entscheidung?
Das ist schwer zu beantworten. Ich weiss nicht, ob sein Wunsch finanzieller Natur war. ZSKA Moskau ist ein grosser Verein. Dennoch befindet sich dieses Land nach wie vor im Krieg. Ich habe selbst ein paar Freunde, die in Russland spielen. Ich sehe, wie sie denken. Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen. Ich urteile nicht darüber. Celestini hat uns und auch mir selbst sehr geholfen. Deswegen wünsche ich ihm viel Glück, egal wo er hingeht.
Was erzählen Ihre Freunde von Russland?
Sie erzählen, dass sie zwar von ein paar Sanktionen betroffen sind, aber das Leben noch immer ziemlich normal sei. Besonders in Moskau, das eine gut geschützte Stadt ist. Natürlich kann es sein, dass an gewissen Tagen keine Flugzeuge fliegen. Aber in Bezug auf die russische Liga sagen sie, dass diese immer noch wahnsinnig gut organisiert sei. Das hat mir Ivan Basic erzählt, ein Mitspieler aus der Nationalmannschaft. Er ist ein junger Spieler mit Jahrgang 2002 und spielte bis zu diesem Sommer in Russland.
Jahrgang 2002 ist für Sie ein junger Spieler – doch was sind dann Sie, der Sie nur ein Jahr älter sind?
Ja, ich weiss schon, mein Jahrgang ist 2001. Aber wenn ich mir jemanden ansehe mit Jahrgang 2002 oder 2003, dann wirkt er einfach viel jünger auf mich, als ich mich selbst wahrnehme.
Warum?
Ich lebe allein, seitdem ich 16 bin. Ich wechselte damals zu Osijek, das acht Stunden Autofahrt von Split entfernt liegt, wo ich aufgewachsen bin. Das lässt einen definitiv früh reifen. Meine Eltern waren zudem grossartig. Sie haben mir beigebracht, wie ich allein zurechtkomme, wie ich mich zu verhalten und zu sprechen habe und wie ich anderen gegenüber respektvoll bin. Das allererste Mal weg von ihnen war ich zudem bereits mit 13 Jahren, als ich für ein Jahr in der Akademie von Dinamo Zagreb spielte. Allerdings lebte damals auch meine Schwester in Zagreb, die dort studierte.
War das manchmal auch schwierig für Sie?
Das erste Jahr in Osijek war vielleicht das schwierigste in meinem Leben, weil ich starkes Heimweh hatte. Meine ganze Familie und meine Freunde waren sehr weit weg von mir. Aber nachdem ich dieses erste Jahr überstanden hatte, wurde es einfacher. In Basel war es ähnlich. Im zweiten Jahr habe ich viele Freundschaften geschlossen.
Haben Sie in Osijek auch eine schulische Ausbildung absolviert?
Ich habe dort eine Sprachschule besucht und einen Gymnasial-Abschluss gemacht. Das war meiner Mutter auch sehr wichtig.
Sie waren also ein guter Schüler?
Ich hatte in der Schule immer gute Noten. In Kroatien ist das Notensystem etwas anders, da ist die Fünf die beste Note. Mein Schnitt lag damals immer bei einer Fünf.
Sie hätten also studieren können.
Ich habe tatsächlich einmal einen Kurs an einer Wirtschaftsschule begonnen. Aber das war schwer mit meiner Karriere zu vereinbaren, zumal ich während meiner Zeit in Osijek für sechs Monate nach Italien zu Frosinone ausgeliehen wurde. Danach ging alles sehr schnell, nach einem Jahr folgte der Wechsel nach Basel. Da war ein Studium einfach nicht möglich. Für die Zukunft kann ich mir aber vorstellen, vielleicht etwas im Bereich Sportmanagement zu machen.
Das klingt so, als würden Sie nicht nur an der Playstation sitzen, sondern ab und an die Bekanntschaft mit Büchern machen …
Ja, ich lese wirklich gerne. Das Lesen ist seit meiner Kindheit eine Leidenschaft. Ich habe einen E-Book-Reader, auf den mir meine Schwester ständig Bücher schickt. Aber es darf auch einmal eine Netflix-Serie oder ein Film sein.
Lesen Sie auch klassische Literatur?
Kaum. Im Moment lese ich viel Science-Fiction, aber auch Bücher über Politik und Wirtschaft. Zudem informiere ich mich ständig über das Weltgeschehen.
Haben Sie ein Lieblingsbuch?
Ich bin mit Harry Potter aufgewachsen. Diese Bücher habe ich bestimmt drei- oder viermal gelesen, erst vor zwei, drei Monaten wieder. Es erinnert mich an meine Kindheit.
Glauben Sie, dass dieser Mix aus Ausbildung, dem frühen Verlassen des Elternhauses und den ganzen Erfahrungen Sie zu dem gestandenen, scheinbar 30-jährigen Abwehrchef und Menschen machen, obwohl Sie erst 24 sind?
Ich denke, das alles zusammen prägt einen Menschen. Und das hilft mir auch auf dem Platz: Ist man als Mensch reif, ist man es auch als Fussballer. Man kann Situationen besser einschätzen und auch besser führen. Gerade in der Abwehr ist das wichtig.
Können Sie auch mal kindisch sein?
Kindisch bin ich wohl selten. Aber ich komme problemlos damit klar, wenn sich andere so benehmen. Marin Soticek ist mein Zimmerkollege. Er ist sehr lustig und manchmal ein bisschen kindisch. Wenn ich mit ihm zusammen bin, mache ich da gerne mit.
Soticek ist Kroate. Logisch, teilen Sie mit ihm das Zimmer.
Klar. Ich bin selbst halber Kroate und dort aufgewachsen. Meine Mutter kommt aus Bosnien. Ich liebe beide Länder. Dass ich für das Land meiner Mutter spiele, liegt daran, dass ich schon seit der U17 für Bosnien auflief. Da war es für mich selbstverständlich, dort auch bei den Profis weiterzumachen.
Gab es nie den Moment, wo Sie zwischen einer Profikarriere im Fussball und einer akademischen Laufbahn schwankten?
Nein, nie. Schule fiel mir einfach leicht. Ich konnte zuhören, mir ein paar Stunden etwas merken und am nächsten Tag den Test schreiben. Aber Fussball war schon immer meine grosse Liebe. Für mich stand nie wirklich zur Debatte, was ich mache.
Und wie sahen das Ihre Eltern?
Mit meiner Mutter hatte ich vereinbart: Sollte ich mit 20 keinen Profivertrag haben, würde ich Medizin oder Pharmazie studieren. Aber Fussball war immer Plan A – und ich war mit 20 ja dann auch Profi. Und jetzt bin ich beim FCB.
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