
Auf die Magerkost folgt das Sternemenü: Die Analyse zur Meistersaison des FC Basel 2024/25
Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.
Super League
Auf die Magerkost folgt das Sternemenü: Die Analyse zur Meistersaison des FC Basel 2024/25
Der FC Basel ist der Meister der Saison 2024/25. Acht Jahre nach dem letzten Titel haben die Basler dank Konstanz auf der Zielgeraden, vieler richtiger Zutaten im Meister-Rezept, einer Prise Mut und dank Königszutat Xherdan Shaqiri den grossen Coup geschafft. Die Analyse von Sportredaktorin Céline Feller.
Der Moment, sich feiern zu lassen, ist gekommen: Nach dem Sieg über Lugano macht die Mannschaft des FC Basel mit den mitgereisten Fans Party.
Der Hunger kommt mit dem Essen. So lautete die Antwort von Fabio Celestini, auf Spanisch in den Medienraum des St. Jakob-Parks geworfen, als er vor ein paar Wochen gefragt wurde, ob und wie der mögliche Meistertitel für den FC Basel ein Thema für ihn und das Team sei. Er sagte es grinsend und wissend, dass es nicht die Antwort ist, die alle hören wollten vom Trainer der Basler.
Der FCB war da gerade dabei, ab Ende März Sieg an Sieg zu reihen. In einem Zeitraum, in dem gleichzeitig öffentlich der Trainer infrage gestellt wurde. Nichtsdestotrotz legte der FCB in genau diesen Wochen den Grundstein, um sich in der finalen Saisonphase an der Ligaspitze abzusetzen und schliesslich zu werden, was er seit Sonntagabend und dem 0:0 zwischen Servette und YB ist: der Meister der Super League 2024/25. Vier Runden vor Schluss hat er sich zu diesem gekrönt, erstmals seit acht Jahren und absolut verdient. Denn die Basler stellen nicht nur die beste Abwehr der Liga (35 Gegentore), den diskussionslos besten Spieler der Liga, sondern darüber hinaus eine Offensive (82 Tore), die ein beeindruckendes Torverhältnis von plus 47 zusammengezaubert und elf Punkte Vorsprung auf Servette hat.
Dass Basel hungrig war auf den so lange vermissten Meistertitel, war seit Jahren nicht mehr so sehr zu spüren wie in dieser Spielzeit. Wenn das Essen dann noch so schmeckt wie in diversen Phasen dieser Saison, gewürzt ist mit Freude, Lust, Euphorie und Kreativität, dann wächst der Hunger unweigerlich. Vor allem, wenn man sich die Magerkost der letzten Jahre gewöhnt war. Allen voran jene aus der Fast-Abstiegs-Saison 2023/24. Eine Saison, in welcher der FCB zuweilen Tabellenletzter war. Im Oktober nicht einen einzigen Treffer erzielte. Drei Mal den Trainer wechselte. Und finanziell so schlecht da stand, dass elf Millionen Franken eingeschossen werden mussten, um die Liquidität zu sichern.
Ja, das alles ist tatsächlich gerade erst ein Jahr her.
Und auch diese Saison begann nicht mit einem feinen Amuse-Bouche. Zwei Auftaktniederlagen und disziplinarische Probleme bestimmten den Start in die neue Spielzeit. Garniert mit der Unberechenbarkeit eines David Degen, der die Leute um ihn des Öfteren ratlos zurückliess – jüngst mit der Trainerdiskussion im März. Degen und seine Crew, sie waren noch vor wenigen Wochen mit Skepsis konfrontiert, die erst langsam weniger wurde und wird.
Denn je länger die aktuelle Spielzeit lief, je mehr kam tout Bâle auf den Geschmack. Weil immer mehr Ingredienzen ihre Wirkung zu entfalten begannen. Das Rezept für dieses leckere Essen bereitete der so leidenschaftliche Koch Fabio Celestini vor. Minutiös, detailversessen, perfektionistisch. Gemeinsam mit einem Staff, der erst auf diese Saison hin komplett neu zusammengestellt wurde – und sofort harmonierte.
In Basel wäre man zufrieden damit gewesen, wenn dieses Rezept am Ende die Teilnahme an der Meisterrunde gebracht hätte. Die Top 6 – sie waren das erklärte Saisonziel. Auch dann noch, als der öffentliche Hunger immer grösser wurde. Diese Zurückhaltung Celestinis – aber auch von den Verantwortlichen um David Degen und Sportdirektor Daniel Stucki –, sie war nicht nur genau, was dieser Klub brauchte, sie war auch ehrlich. Denn in Basel wäre man in der Tat glücklich gewesen, einfach mal wieder einen Mehrgänger essen zu dürfen: Als Vorspeise ein Platz in der oberen Tabellenhälfte, gefolgt von zwei oder drei Qualifikationsrunden für das europäische Geschäft und garniert mit der – im besten Fall – Teilnahme an einer Gruppenphase. Und ja, da wäre auch die Conference League schmackhaft genug und der Hunger gestillt gewesen.
Schliesslich, und auch das betonte Celestini immer und immer wieder: Dieser FC Basel Ausgabe 2024/25 weiss, woher er kommt.
Dass es nun aber gar gleich das ganz exquisite Menü unter dem Sternenzelt der Champions League werden könnte? Das übertrifft alle noch so kühnen Gelüste in Basel. Die Königsklasse – jetzt nur noch eine Playoff-Runde entfernt – schien unerreichbar in naher Zukunft.
Die Hauptzutat der Meistermannschaft: Xherdan Shaqiri.
Auch noch nach dem 16. August letzten Jahres. Diesem Tag, an dem in Basels Küche plötzlich eine neue Zutat vorhanden war, die alles zu übertünchen und verändern schien: die Hauptzutat namens Xherdan Shaqiri. Denn Shaqiri ist mehr als nur eine einfache Ingredienz. Sein Einfluss im Team, im Klub, in der Region, diese Strahlkraft, Energie und Bedeutung, sie machte ihn zum alles entscheidenden Faktor. In seinen besten Jahren gereift in einigen der ganz grossen Luxushäuser der Welt: in München und Mailand, in Lyon und Liverpool.
Von dort brachte Shaqiri – hinter dessen Fitness bei seiner Ankunft einige Fragezeichen standen – die Prise Mentalität, Erfahrung und schlussendlich auch den unbändigen Erfolgshunger mit, um den FCB auf ein neues – oder eher wieder näher an sein altes – Niveau heranzuführen. Er hat eine Komposition, die durchaus schon Qualität hatte, veredelt. Und dominiert die Super League nach Belieben. Der Hattrick innert neun Minuten gegen Lugano, es war die Kirsche auf der Torte einer kaum mehr in Worte fassbaren Saison des 33-Jährigen.
Dass Shaqiri für eine Geschmacksexplosion sorgen könnte an jenem Ort, an dem er so sehr geliebt wird wie sonst nirgends, davon durfte man träumen. Vor allem punkto Zuschaueraufkommen, Merchandising – oder kurz: was den Hype betrifft. Aber vom sofort folgenden sportlichen Erfolg, der möglicherweise gar in zwei Titeln gipfeln könnte?
Um so etwas Grosses, wie es der Meistertitel für diesen FC Basel ist, zu ermöglichen, muss man ab und zu auch über den Tellerrand hinausschauen. Sich trauen. Jene Wege zu gehen, die nicht Schritt für Schritt im Rezept festgehalten sind. Das haben Degen und auch Celestini getan. Ersterer, weil er als bekennender Skeptiker von zu vielen (teuren) Köchen in der Küche und von Rückkehren dennoch den Shaqiri-Deal absegnete.
Und Celestini, weil er es annahm, sein Grundrezept, an dem er den ganzen Sommer über in der Vorbereitung gefeilt hatte, für den Rückkehrer über den Haufen zu werfen. Alles um Shaqiri zu bauen, den FCB nicht nur einmal taktisch neu zu erfinden in dieser Spielzeit, sondern gleich zweimal in der laufenden Meisterschaft.
Der Coach, der sich mit dem Titel einen Traum erfüllt. Schliesslich fehlte Fabio Celestini im Palmarès noch ein Meistertitel.
Der Mut – auf Führungsebene und auf dem Rasen – Neues anzugehen, bekannte Rezepte zu modifizieren, er hat sich bewährt.
Gleiches gilt für den Mut, mit Stucki neuerlich einen Rookie in eine Schlüsselposition zu implementieren. Der Sportchef hat diesem FCB Leitplanken verpasst, aufgrund deren eigentlich kein Gericht je ganz ungeniessbar war. Ja, auch in dieser Saison hatte der FCB Ausreisser gegen unten. Er hat unnötige Punkte verschenkt – zu Hause gegen GC, in St. Gallen, bei Luzern – oder sich im Cup manchmal etwas sehr schwergetan. Aber komplett versalzen wurde die Suppe nie. Sonst stünde der FCB nicht, wo er am Ende nun steht. Und sonst dürfte man dem Team nicht attestieren, dass es gerade in der finalen Phase eine Konstanz an den Tag legte, wie es kein anderes Team in dieser Saison zu tun vermochte.
In dieser Wandlung von Magerkost bis hin zur Sterneküche hat dieser FCB auch gelernt, Rückschläge anzunehmen, sich an ihnen aufzurichten und sich nicht beirren zu lassen. Frühe Gegentore brachten nicht mehr einen Komplettzerfall, Niederlagen nicht mehr die ganz grossen Zweifel. Alles Charakteristika, die vor einem Jahr noch untrennbar vom FCB waren.
Richtig waren im Nachhinein auch die Entscheidungen, jahrelang bewährte Zutaten nach und nach aus dem Regal zu nehmen oder nur noch dosiert einzusetzen. Auch wenn sowohl Michael Lang, Fabian Frei als auch Taulant Xhaka sich ihr Ende anders vorgestellt hatten – und es anders verdient gehabt hätten. Ihr Fehlen jedoch ermöglichte anderen Spielern, ihre Wirkung vollends zu entfalten. Bestes Beispiel: der Reifeprozess eines Leon Avdullahu, der sich europaweit zu einer der heissesten Aktien auf dem U21-Spielermarkt entwickelt hat.
So steht am Ende eine meisterliche Bilanz eines FC Basel, der sich spätestens nach der Nationalmannschaftspause im März nicht mehr beirren liess. Der nach diesem so entscheidenden Spiel in Winterthur, welches in der Retrospektive nicht nur über die Zukunft Celestinis entschied, sondern auch die Weichen stellte für den Meistertitel, die Flamme am Herd noch einmal voll aufdrehte. Und dann zu köcheln begann, was den grossen Hunger vorerst stillen dürfte: der Meistertitel 2024/25.
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