Der Fussball-Punk Taulant Xhaka verlässt die Bühne. Er war ein Kämpfer – aber auch ein Giftpfeil

Dieser Artikel wurde von NZZ publiziert.

Nach über 400 Spielen und 13 Jahren für den FC Basel tritt der 34-jährige Mittelfeldspieler zurück. Um die streitbare Klub-Seele entbrannten wiederholt Kontroversen.

Viel Xhaka in Basel: Granit Xhaka (rechts) stellt am Samstag bei der Verabschiedung seines Bruders Taulant im Kreis seiner Familie die Rückkehr zum FC Basel in Aussicht. <!–>
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Viel Xhaka in Basel: Granit Xhaka (rechts) stellt am Samstag bei der Verabschiedung seines Bruders Taulant im Kreis seiner Familie die Rückkehr zum FC Basel in Aussicht.

Michael Buholzer / KEYSTONE

Der Xhaka-Moment lässt nicht auf sich warten. Als am Samstag vor dem Match gegen den FC Luzern Taulant Xhaka verabschiedet wird, wissen die Dramaturgen des FC Basel, wie sie ihr Publikum abholen. Die Spieler stehen auf dem Rasen des St.-Jakob-Parks Spalier, Angestellte, der Verwaltungsrat und frühere Heroen sind zugegen. Auch Granit Xhaka läuft ein, samt Familie, und dem Vater.

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Granit erhält mitten auf dem Rasen das Mikrofon, bedankt sich «im Namen der Familie Xhaka» beim Publikum und beim Klub – und sagt, dass «ein Xhaka geht» und dass «der andere dann auch nochmals da sein» werde. So stellt der 32-Jährige seine Rückkehr nach Basel in Aussicht.

In dem Augenblick ist der FC Basel ganz Xhaka.

Taulant Xhaka, der Bruder des grossen Granits, ist kein Star aus der Bundesliga, sondern die personifizierte Basler Identifikation und deshalb die Kultfigur der Fankurve. 13 Jahre für denselben Klub unterwegs, über 400 Wettbewerbsspiele, sechs Meistertitel, drei Cup-Siege. Solch eine Verbundenheit ist im modernen Fussball rar. Da wechseln die Angestellten den Arbeitgeber bisweilen jedes Jahr, gerade der FC Basel gilt seit Jahren als Personal-Karussell, Trainerwechsel inklusive.

Xhaka war nur 18 Monate lang weg

Taulant Xhaka ist die Antithese. Er war immer da, immer FC Basel, mit Ausnahme von 18 Monaten im Grasshopper-Club, dem nicht eben langen Abstecher 2012/13 nach Zürich, wo er nur Basel im Kopf gehabt haben soll. Als er im Februar 2025 seinen Rücktritt ankündigt, sagt er in einem vom Klub produzierten Video: «Der FCB bedeutet mir alles. Die Stadt bedeutet mir alles.» Da ist viel Pathos. Doch der darf sich vor allem einer erlauben: Taulant Xhaka.

Mit 12 Jahren stiess er zum Nachwuchs des FC Basel, 2010 debütierte er als noch nicht 20-Jähriger im A-Team. Er blieb über die Jahre standhaft, auch wenn es im Klub unter der Leitung von David Degen personell drunter und drüber ging und ein Transfer den nächsten jagte. «Terrier» nennt man ihn, in Anspielung auf seine bissige Spielart. So gestand er einmal gegenüber der NZZ: «Man kann mich vielleicht als Terrier bezeichnen.»

Das sagen nicht manche Fussballer über sich selbst. Xhaka, der Läufer, der Kämpfer, der Giftpfeil. Kein Blender, aber einer, der rackert, der sich nicht schont «Leidenschaft» und «Zuverlässigkeit» attestieren ihm frühere Mitspieler. Man weiss, was man an ihm hat.

Der «Terrier» und die grossen Augen des kleinen Jungen

Und: Er sei ein fröhlicher Mensch, mit dem man Spass haben könne. Die Explosion ist weit weg, wenn man ihn in gewissen Momenten vor sich hat. «Mit den grossen Augen eines kleinen Jungen» schwärme er über den FC Basel, schrieb einst die NZZ

Der FC Basel verabschiedet nach 407 Spielen Taulant Xhaka.

Youtube/FCB

Der gesellige Xhaka lässt sich im emotionalen Bad zu Dingen hinreissen, die er hinterher bedauert. Und etwas später dennoch wiederholt. Dadurch speist sich der Kontakt zwischen ihm und der Fankurve. Das kann zur Symbiose werden. Die Kurve bedankt sich im letzten Spiel mit grossen Lettern nicht für Tore oder Tor-Vorlagen, sondern für die Verwarnungen, Platzverweise und «9 Knaller». Was Letztgenanntes auch immer bedeuten mag.

Xhaka stand schon mitten in der Fankurve, als einer von ihr. Unlängst stachelte er die rotblaue Menschenmenge an der ersten, spontanen Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz mit unflätigen, deplatzierten Worten gegen den FC Zürich an.

Er gab den Rädelsführer, der sich vereinnahmen und von Emotionen treiben lässt. Er riss in früheren Jahren einen Gegenspieler an den Haaren, einen anderen verletzte er schwer. Einem Dritten griff er ins Gesicht, einem Vierten versetzte er einen Kopfstoss. Xhaka, der Punk.

Wie der FC Basel einen Kopfstoss gegen einen Gegner ehrt

2023 ging er mit einem Kopfstoss auf den damaligen FCZ-Spieler Nikola Katic los, worauf er sich entschuldigte und von der Liga mit 8 Spielsperren belegt wurde. Im gleichen Jahr geriet er in einem anderen Match wieder an Katic. Danach zog er sich ein T-Shirt an, das ihm aus der Fankurve übergeben wurde. Darauf ist der Kopfstoss gegen Katic zu sehen. Das gleiche Shirt tauchte auch unlängst an der Meisterfeier wieder auf. Schuld und Sühne? Kaum. Xhaka pur. Ein Kopfstoss als Punk-Legende, verewigt auch im Basler Meister-Rap. Fast so, als wäre nichts gewesen. Oder als wäre der Kopfstoss heldenhaft.

Im Meistersong 2025 ehrt der FC Basel unter anderem einen Kopfstoss Taulant Xhakas gegen einen Gegner.

Youtube/FCB

Er entschuldigte sich auch unlängst, als er sich an der Meisterfeier wie ein Hooligan aufführte und einen Kontrollverlust erlitt, der tief blicken lässt. Die Liga auferlegt ihm eine Spielsperre, damit er zum Abschluss gegen den FC Luzern nochmals auflaufen kann. Dazu erhält er eine Busse von 7500 Franken, die auf der Gehaltsstufe Xhakas nicht der Rede wert ist. Und er soll 18 Stunden gemeinnützige Arbeit zugunsten des Fussballs verrichten. Die interne Sanktion und die scharfe Rüge des Arbeitgebers kann Xhaka verschmerzen.

Xhaka ist ein Fussballer, der weiss, was er kann – und was er nicht kann. Einer, der nicht bei der erstbesten Möglichkeit ins Ausland zog; einer, von dem es 2015 hiess, dass er mit dem portugiesischen Trainer Paulo Sousa von Basel zur AC Fiorentina hätte wechseln können; einer, der in Basel stets ein warmes Nest vorfand, zu den besten Zeiten gefüttert mit fix über 1,2 Million Schweizerfranken pro Jahr. Plus Prämien. Einer, der gar nie wegwollte, dem vielleicht auch das tolle Angebot fehlte. Einer, der spürte, dass er bald wieder zurückkäme, würde er gehen.

Granit Xhaka ging den grossen Weg ins Ausland

Taulant Xhaka gehört zum Inventar des FC Basel. Er bleibt Kultfigur, auch wenn er nichts zum Meistertitel beigetragen hat und zuletzt nicht einmal mehr Ersatzspieler war. Die 34 Minuten Spielzeit gegen Luzern hätte die Nummer 34 des FC Basel nicht erhalten, wäre noch etwas auf dem Spiel gestanden.

Seine Karriere ist nicht mit derjenigen seines jüngeren Bruders Granit zu vergleichen. Granit Xhaka nahm die Leader-Rolle früh an, seine strategische Spielweise führte ihn in die Bundesliga und in die Premier League. Und zu 135 Länderspielen. Taulant spielte stattdessen 30 Mal für Albanien und nie in einer anderen Liga. Taulant steht im grossen Schatten von Granit.

Als es 2023 mit dem FC Basel bergab ging und Taulant vermehrt auf der Ersatzbank sass, fasste Granit aus der Ferne die Xhaka-Energie auf Instagram mit folgenden Worten zusammen: «Zurückkommen? Mit dere Politik? NIEMALS!!!! Sicher nid eso.»

Mit besten Grüssen an David Degen, der mittlerweile nicht mehr nur Transferumsatz-Champion, sondern auch Schweizer Meister ist. Die Kündigung der Liebe ist zwei Jahre her. Der Taulant-Abschied wirkte dagegen wie die Verlobung für eine zweite, späte Heirat zwischen Granit und dem FC Basel.

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