Noch 34 Minuten: Die letzten Monate der Profikarriere von Taulant Xhaka

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

Noch 34 Minuten: Die letzten Monate der Profikarriere von Taulant Xhaka

Im letzten Heimspiel der Saison wird Taulant Xhaka sein finales Fussballspiel absolvieren. Es ist der Abschied von einer Klublegende des FC Basel, von einer Identifikationsfigur, einem Charakterkopf. In den letzten drei Monaten als Profi haben wir Xhaka eng begleitet. Die Geschichte über ein Karriereende, das anders hätte verlaufen sollen. Über mentale Ermüdung und einen ganz grossen Traum.

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Zurück dort, wo für Taulant Xhaka alles begann: ein kleiner Fussballplatz im St. Johann-Park. Ein Ort, an dem er tagelang mit Freunden kickte – und bei dessen Anblick seine Augen leuchten.

Bild: Severin Bigler

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Es ist lange her, dass Taulant Xhaka zum letzten Mal geweint hat. Bei der Geburt seines ersten Kindes, Sohn Klevis. Fünf Jahre ist das her.

Doch am 12. Februar dieses Jahres fliessen die Tränen bei Xhaka wieder. Mehrfach. Gewisse Anrufe kann er nicht entgegennehmen, zu emotional ist der damals 33-Jährige.

Es ist der Tag, an dem um 16 Uhr ein Entscheid publik wird, der die rotblaue Welt bewegt: Taulant Xhaka hört im Sommer auf. Er, dem diese Region, diese Stadt und der FC Basel alles bedeutet. Eine Klublegende, wie es sie im modernen Fussball immer weniger geben wird. Sein ganzes Fussballerleben stand er nur beim FCB unter Vertrag. Nun ist Ende Saison Schluss – trotz eines ursprünglich noch bis 2027 laufenden Arbeitspapiers.

In den letzten Monaten seines Lebens als aktiver Profifussballer haben wir Taulant Xhaka eng begleitet. Entstanden ist die Geschichte eines Abschieds, der anders hätte laufen sollen. Die Geschichte erzählt vom Prozess, der zu diesem Entscheid führte, von fehlender psychischer Kraft und von einem letzten, grossen Wunsch.

Der Prozess

Die Winterpause ist kurz. Nach einer persönlich schwierigen Hinrunde mit nur neun Teileinsätzen fliegt Xhaka nach Abu Dhabi, um den Kopf zu lüften. Gemeinsam mit seiner Familie und der Familie von Renato Steffen. Der heutige Lugano-Captain, der von 2016 bis 2018 beim FCB spielte, ist noch immer einer seiner engsten Freunde. Die beiden vielleicht berüchtigtsten Heisssporne der Liga. «In diesen Ferien habe ich mir jeden Abend vor dem Einschlafen Gedanken gemacht. Ich habe überlegt, wann der beste Zeitpunkt wäre, um aufzuhören, ich habe es aber keinem erzählt.» Für Xhaka war immer wichtig, dass er selbst bestimmen kann, wann fertig ist. Die Schicksale von Fabian Frei und Michael Lang, deren Ende beim FCB nicht reibungslos ablief, sie sollten sich bei ihm nicht wiederholen.

Während die Vorbereitung wieder beginnt, drehen sich Xhakas Gedanken weiter. Er sieht, wie mit Metinho ein weiterer Konkurrent auf seiner Position verpflichtet wird.

Am Rande eines Testspiels sagt er unter vier Augen: «Ich habe keine Lust mehr.» Ein Satz, nicht eingebettet in einen Zusammenhang, salopp dahergeworfen – und doch so bedeutungsschwer. Denn vielleicht wusste Xhaka tatsächlich Mitte Januar schon: Das war’s für mich.

2003, im Alter von 12 Jahren, stiess Taulant Xhaka als Junior zum FC Basel. Nun endet seine Zeit als Spieler bei seinem Herzensklub.

2003, im Alter von 12 Jahren, stiess Taulant Xhaka als Junior zum FC Basel. Nun endet seine Zeit als Spieler bei seinem Herzensklub.

Bild: fcb.ch

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Schliesslich hatte er da gerade den Entzug der Captainbinde hinter sich, die er erst wenige Monate zuvor von Rekordspieler Frei übernommen hatte, aber nicht allzu oft tragen durfte. Wer den Stolz des Taulant Xhaka kennt, der weiss, dass ihn dieser Entscheid getroffen, ihm seinen immer kleiner werdenden sportlichen Stellenwert auf brutale Art und Weise verdeutlicht hat.

Die ersten drei Spiele des Jahres verpasst er verletzt und krank. Es sind jene Partien, in denen er zu realisieren beginnt: Wir haben einen Lauf. Wir spielen um den Titel mit. Es wäre der perfekte Abgang. «Dann habe ich meiner Frau erzählt, dass ich mir überlege, aufzuhören. Sie war die Erste, mit der ich gesprochen habe. Sie fand es erst schade, sagte, sie habe das Gefühl, dass ich noch ein Jahr durchziehen könnte.»

Auch Xhaka selbst fühlt sich physisch fit genug, um weiterzumachen. «Aber ich habe gemerkt, dass ich psychisch nicht mehr mag. Ich hatte schöne Zeiten, sehr schöne. Aber die letzten drei, vier Jahre haben viel Kraft gekostet … Ich kann nicht mehr. Darum ist der Sommer am besten, um aufzuhören», erklärt er zwei Wochen nach der Rücktrittserklärung in einem Telefonat.

Das emotionale Auf und Ab, mit Streitereien um seinen Vertrag und seinen Lohn, öffentlichen Debatten auf Instagram und der schwindenden Einsatzzeit, das alles hat seinen Tribut gezollt. Xhaka fällt den Entscheid, dass es für ihn, den Mann mit der Trikotnummer 34, perfekt ist, im Alter von 34 Jahren aufzuhören.

«Das Timing stimmt einfach. Unser Haus in Muttenz ist dann auch fertig, so kann ich ein neues Kapitel aufschlagen.» Xhaka weiht nach seiner Frau seinen Berater sowie seinen Bruder Granit ein, den Schweizer Rekordnationalspieler, danach seine Eltern. «Granit hat gespürt, dass mich die letzten Jahre mitgenommen haben. Bei meinen Eltern war es gleich. Sie haben mir alle gesagt, dass ich viel erreicht habe und stolz sein kann.»

Ein One-Club-Player, wie es ihn im modernen Fussball kaum mehr gibt: Taulant Xhaka. –> <!–>

Ein One-Club-Player, wie es ihn im modernen Fussball kaum mehr gibt: Taulant Xhaka.

Bild: Severin Bigler

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Danach schreibt er Sportchef Daniel Stucki eine SMS, bittet um einen Termin. Die beiden verhandeln die Auflösung seines Vertrages. «Er hat einen super Job gemacht, ist ein guter Typ», sagt Xhaka über Stucki. Die Gespräche verlaufen konstruktiv. Der Austausch mit David Degen ist kurz. «Er ist nur für zwei Minuten vorbeigekommen, hat sich bedankt, ‹Chapeau› gesagt. Das habe ich geschätzt.»

Die Bekanntmachung

«E Nochricht vom Tauli», steht im Push des FC Basel, mit welchem am 12. Februar das Ende einer grossen Karriere bekannt gemacht wird. In einer Videobotschaft schaut er auf insgesamt 22 Jahre – dreizehn davon als Profi – beim FCB zurück. Auf seine prägenden Mitspieler, die weltbekannten Gegenspieler und magische Nächte. «Das ist alles nicht selbstverständlich», sagt er, der mit 12 Jahren aus dem Congeli-Nachwuchs zu Rotblau wechselte, und spricht vom «puren Stolz», das alles erlebt zu haben. Mit seinem FCB.

Im Gespräch ein paar Tage später klingt Xhaka befreit. Ein Stein sei ihm vom Herzen gefallen, gibt er zu. Vor allem, weil er nun Gewissheit hat: Er konnte entscheiden, wie es endet. Und sonst niemand. «Ich bin im Reinen mit mir. Es ist das Beste. Für mich, für alle. Es geht mir sehr gut.»

Die Nachrichtenflut in diesen Tagen, sie ist gross. «Und alle SMS waren positiv. Das hat mir auch die Bestätigung gegeben, dass jeder dasselbe sagt: Es ist die richtige Zeit, sie hätten es genau gleich gemacht an meiner Stelle.» Unter all den Bekundungen ist es jene von Heiko Vogel, die er speziell hervorhebt. «Seine Botschaft hat mich überrascht und berührt.» Xhaka bittet eine Sekunde um Geduld, sucht in seinem Handy die Nachricht von seinem Ex-Trainer und -Sportchef und liest vor: «Du gehst als Legende, Tauli. Niemand wird dir das nehmen. Es war mir eine grosse Ehre, dass ich dich begleiten durfte. Du bist zu 100 Prozent eine Legende, zu 100 Prozent Champion», zitiert Xhaka. Und ergänzt: «Das war mega härzig. Da hatte ich fast Tränen in den Augen.»

Die Folgewochen

Während Xhaka emotional befreit ist, läuft es sportlich nicht. Im ersten Spiel nach der Bekanntgabe des Rücktritts fehlt er im Aufgebot. «Das habe ich nicht verstanden. Gerade nach so einer Woche, in der so viel Euphorie da war», sagt er wenige Tage nach dieser Partie gegen Lausanne. Der Trainer habe es ihm zwar erklärt, er habe den Entscheid hingenommen. Aber etwas Unverständnis ist da. Es ist eine Pattsituation: Xhaka will spüren, welchen Stellenwert er in diesem Klub hat – Celestini aber gibt ihm diese Streicheleinheiten nicht. Dennoch ist es Xhaka wichtig, zu betonen, dass «ich da nicht darauf herumreiten will. Ich will die Zeit, die ich noch habe, geniessen. Für mich, mit den Kollegen.» Und noch viel mehr hat er einen ganz grossen Wunsch: «Ich will, dass es schön aufhört. Und die Leute von mir eine schöne Erinnerung haben und mich positiv in Erinnerung behalten.»

Mit einem Trikot mit der Beflockung «12. Maa» läuft Taulant Xhaka in Nizza vor dem Conference-League-Viertelfinal 2023 zum Einwärmen auf. Die Fans und die Bindung zu ihnen waren und sind für ihn immer das Wichtigste beim FC Basel.

Mit einem Trikot mit der Beflockung «12. Maa» läuft Taulant Xhaka in Nizza vor dem Conference-League-Viertelfinal 2023 zum Einwärmen auf. Die Fans und die Bindung zu ihnen waren und sind für ihn immer das Wichtigste beim FC Basel.

Bild: Freshfocus

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Xhaka fehlt auch in der nächsten Partie auswärts gegen St. Gallen. Drei Tage nach der Partie im Kybunpark sind wir erneut telefonisch verabredet. Es ist Dienstag, der 25. Februar, der Tag vor dem Cup-Viertelfinal bei Étoile Carouge.

Kurz vor 17 Uhr ruft er an. «Sorry, ich war gerade noch beim Friseur, dauerte etwas länger.» Zum gleichen Zeitpunkt ist der FCB-Car auf dem Weg nach Carouge. Xhaka? Er ist also wieder nicht dabei. «Klar finde ich es schade, dass ich nicht mehr im Aufgebot bin, seit ich meinen Rücktritt erklärt habe. Aber diese Entscheidung liegt beim Trainer. Und es gibt Schlimmeres.» Seine Rolle sei nicht definiert, es gebe keine Abmachung für die finalen Monate seiner Karriere. Aber der Spieler glaubt zu spüren, dass der Trainer froh ist, dass nach dessen Rücktrittserklärung die Fragen nach seinen ausbleibenden Aufgeboten weniger werden.

In den Folgewochen geht es so weiter. Xhaka ist nie mehr Teil des Aufgebots. «Das gibt mir noch einmal das Gefühl, dass ich mich richtig entschieden habe. Es ist die Bestätigung dafür, dass im Sommer Zeit ist, aufzuhören.»

In den Trainings will er weiter Vollgas geben. Bereit sein für den Moment, falls er kommen sollte. Doch ein bisschen, da fängt Xhaka an, sich Dinge zu gönnen. Vor dem Carouge-Spiel sagt er ehrlich: «Heute Abend haben wir zum Beispiel Pizza bestellt für die Familie. Und wenn ich Freunde einlade, trinken wir jetzt eher mal eine Flasche Wein. Ich lebe gut, das schon. Aber ich übertreibe nicht. Ich will noch das Beste aus meiner verbleibenden Zeit machen. Es geht schnell, bis die vorbei ist.»

Irgendwann sind im Hintergrund Stimmen zu hören. «Papa, Papa», ruft Klevis. «Ich muss bald los, sorry», sagt Xhaka. Schliesslich wartet die Pizza. Vorher sagt er noch: «Das Gute daran, dass ich nie aufgeboten bin, ist die Zeit, die ich plötzlich habe. Die verbringe ich mit der Familie. Mein Kleiner hat früher immer meine Frau gefragt, wo der Papa ist.» Jetzt schauen sie zusammen die Spiele. Am Fernseher, aber auch in der Loge bei den Heimspielen. «Er fragt mich immer, wieso ich nicht spiele, ob ich verletzt bin oder ob es mir nicht gut geht. Er hat noch nicht begriffen, dass ich bald gar nicht mehr mitspielen werde.»

Xhaka, der Familienvater, geniesst diese Momente. Aber sie lösen auch etwas in ihm aus. Er sieht die Zeit davonrennen. Ohne Aufgebote. Ohne Spiele. Ohne Minuten auf dem Platz. «Ich weiss auch nicht, wie ich beim letzten Spiel reagieren werde. Es wird mit Sicherheit emotional werden.»

Die Zweifel

Dieses letzte Spiel. Diese finalen 34 Minuten auf dem Platz. Das erträumte Ende. Es steht immer mehr auf der Kippe. Zwar beteuern alle Seiten, dass man dem Spieler, der bis dato 406 Partien – und dazwischen 43 für GC während seiner Leihe – für diesen Klub absolviert hat, diesen Wunsch erfüllen will. Doch was, wenn es plötzlich eng wird im Meisterrennen? Wenn gar in diesem letzten Spiel der Saison entschieden wird, wer den Titel holt? Diesen Kübel, mit dem auch Xhaka gerne abtreten würde. Dann, und dessen sind sich alle einig: Dann spielt Xhaka nicht. Keine 34 Minuten, je nach Spielstand nicht einmal 34 Sekunden.

Noch 34 Minuten im Dress des FC Basel – das ist Taulant Xhakas grosser Traum. –> <!–>

Noch 34 Minuten im Dress des FC Basel – das ist Taulant Xhakas grosser Traum.

Bild: Severin Bigler

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Muss sich Xhaka doch durch die Hintertür verabschieden? Mit einem Blumenstrauss und einer Fan-Choreo, aber ohne ein letztes Mal das Trikot übergestreift und auf dem Rasen des Joggeli gestanden zu haben? Es ist ein Szenario, das er sich nicht ausmalen mag. Der Kontakt wird in diesen Wochen loser. In den Trainings gibt er sich entspannt, sagt: «Es geht mir den Umständen entsprechend gut.»

Wer ihn kennt, weiss, dass ihm dieser Abschied auf der grossen Bühne alles bedeuten würde.

Der Ausbruch

Diese Bühne nutzt er nach dem fulminanten Heimspielsieg gegen Servette in der ersten Partie der Meisterrunde. Xhaka hat – fast schon selbstredend – kein Aufgebot erhalten. «Ich kann nur noch im Training Einfluss nehmen», sagt er. In die Garderobe geht er vor den Spielen nicht. Dafür auf den Rasen – nach diesem 5:1 gegen den bis zum Anpfiff letzten verbleibenden Titelkonkurrenten. Als die Mannschaft langsam in den Bauch des Joggeli verschwindet, ist Xhakas Moment gekommen. Zusammen mit seinem Sohn spielt er am Mittelkreis den Ball hin und her, lässt Klevis ein Tor schiessen und sich mit ihm von der Kurve feiern. Von dieser Kurve, mit der er sich stets so eng verbunden fühlte – und für die Xhaka Kult- und Identifikationsfigur ist. Einer von ihnen. Doch in diesem Moment wirkt es fast, als würde er versuchen, zu sagen: «Hey, Leute, vergesst mich nicht.»

Taulant Xhaka und Sohn Klevis kicken nach dem Spiel gegen Servette Anfang Mai auf dem Joggeli-Rasen – während die Mannschaft in der Kabine verschwunden ist.

Taulant Xhaka und Sohn Klevis kicken nach dem Spiel gegen Servette Anfang Mai auf dem Joggeli-Rasen – während die Mannschaft in der Kabine verschwunden ist.

Bild: Claudio Thoma

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Eine Woche später steht das Spiel in Lugano an. Siegt der FCB, kann er tags darauf Meister werden. Die Basler gewinnen mit 5:2, machen Party im Cornaredo und vor allem danach im Bus – ohne Xhaka. Der mittlerweile 34-Jährige ist nicht mitgereist. «Es hat mich im Oberschenkel gezwickt», sagt er an der Meisterfeier.

Bei dieser bricht später alles aus ihm heraus. Von den Emotionen übermannt, wie er es beschreibt, gibt er Interviews, umarmt Leute, feiert. Alles kumuliert: Der erste Titel seit acht Jahren. Der letzte Meistertitel für ihn. Die wenigen Einsatzminuten. Das nahende Karriereende. Xhaka lässt sich zu grossen Dummheiten verleiten, zündet eine Pyro und stimmt Schmähgesänge an. Es ist nicht das erste Mal, dass er seine Emotionen nicht im Griff hat. Fast genau zwei Jahre zuvor streckt er einen Gegner mit einem Kopfstoss nieder. Der auf dem Feld so heissblütige Xhaka, der neben dem Rasen einfach Tauli ist. Hier der Kontrollverlust, die Aussetzer. Da die Ruhe, die Zurückhaltung, zuweilen gar Schüchternheit.

Als er am nächsten Morgen aufwacht, denkt er sich: «Was habe ich nur wieder gemacht?» Und er realisiert: Im dümmsten Fall werde ich gesperrt. Dann war’s das mit dem Abschied auf dem Feld am letzten Spieltag. Xhaka ist wütend auf sich, dass er seine Gefühle nicht kontrollieren konnte. Aber man spürt auch: Er hätte sich gewünscht, dass die zuständigen Personen im Klub ihn schützen, ihn vom Balkon reissen. Der Klub seinerseits betont, dies mehrfach versucht zu haben.

Wenige Stunden später eröffnet die Liga ein in einem solchen Fall nie dagewesenes Verfahren, Xhaka schafft einen Präzedenzfall, muss eine Sperre absitzen, eine Busse zahlen und Sozialstunden leisten.

Das Wichtigste für ihn aber: Er kann sich im finalen Ligaspiel gegen Luzern als aktiver Fussballer verabschieden. Das Horrorszenario tritt nicht ein. Dass er brutales Glück hatte, ist ihm bewusst.

Der Countdown

Vier Tage noch, bis alles endet. Es ist der Moment, dort hinzugehen, wo für Taulant Xhaka alles begonnen hat: ins St. Johann-Quartier. Auf einem kleinen Fussballplatz – als Unterlage kein Rasen, sondern Holzspäne – nur 250 Meter entfernt von der Wohnung im dritten Stock in der Wasserstrasse, wo die Familie Xhaka fünfzehn Jahre lang gewohnt hat, treffen wir uns. «Immer wenn ich hier bin, kommen so viele Emotionen hoch», sagt er. Man spürt diese Verbindung zu seiner Heimat. Die Augen leuchten, und für das Fotoshooting lässt er Handy und Autoschlüssel auf einer einsamen Bank liegen. Hier, in seiner Gegend, passiere schon nichts, sagt er.

406 Partien hat der 34-Jährige bislang für den FC Basel bestritten. Am Samstag folgt die 407. und wohl letzte. –> <!–>

406 Partien hat der 34-Jährige bislang für den FC Basel bestritten. Am Samstag folgt die 407. und wohl letzte.

Bild: Severin Bigler

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Dabei war es anders, als er hier aufwuchs. Das St. Johann war nicht das hippe, trendige Studentenquartier, das es heute ist. Es war gefährlich. «Nach 22 Uhr konnte man hier nicht mehr raus. Überall waren Drogendealer. Es war eine Katastrophe. Meine Eltern hatten immer Angst.» Mittlerweile ist vieles neu. Auch rund um dieses Fussballfeld. «Früher war es toller hier, es wurde zu viel verändert. Der kleine Pool ist weg, die Rutschbahn. Nur der Platz ist gleich geblieben.» Kult nennt er diese etwa 10 auf 5 Meter kleine Fläche, auf welcher er mit den Freunden – die ihm heute noch nahe sind – tagelang Fussballturniere oder Versteckis gespielt hat.

Während er in Erinnerungen schwelgt, die Atmosphäre aufsaugt und noch einen Autogrammwunsch erfüllt, blickt Xhaka ein paar Tage in die Zukunft. «Ich glaube, ich habe es realisiert, dass es aufhört. Schon länger.»

Das Ende

Exakt 101 Tage wird es seit der Rücktrittsverkündung her sein, wenn Xhaka an diesem Samstag ein letztes Mal für den FC Basel aufläuft. Natürlich, möglich wäre auch ein Einsatz im Cupfinal eine Woche später. Der Verlauf des schrittweisen Abschieds von Xhaka beim FCB deutet aber auf das Gegenteil hin. Der Klub will ihn gebührend verabschieden, von einer grossen Überraschung ist die Rede. Klar ist: Er wird beginnen, 34 Minuten spielen, ausgewechselt werden. So, wie er sich das immer ausgemalt hat. Das perfekte Ende einer nicht perfekt verlaufenen Abschiedstournee.

Möglich, dass seine Nummer 34 nie mehr vergeben wird, ausser Bruder Granit möchte sie dereinst erben. Wahrscheinlich, dass Granit und weitere Weggefährten alle da sein werden, um ihm die Ehre zu erweisen.

Denn auch wenn Taulant Xhaka zuletzt nicht das beste Bild seiner selbst abgab – er wird als Grosser dieses Klubs in die Geschichte eingehen. Als der Junge von der Wasserstrasse im St. Johann, der davon träumte, irgendwann einmal für seinen FCB spielen zu dürfen. Am Ende, nach 407 Einsätzen, geht er als Legende.

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