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David Degen war am Boden – nun jubelt ihm Basel zu

David Degen feiert mit Fans auf dem Barfüsserplatz in Basel den 21. FCB-Meistertitel.
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In Kürze:

  • Der FCB-Präsident beklagt sich über ständige Kritik und persönliche Belastung.
  • Nach mehreren Trainerwechseln stabilisiert Fabio Celestini die sportliche Situation.
  • Daniel Stucki übernimmt als neuer Sportchef die operative Führung.
  • Die Verpflichtung von Xherdan Shaqiri bringt sportlichen Erfolg und Ruhe.

David Degen verschränkt am Tisch die Arme und starrt für einen Moment ins Leere. «Ich bin müde. Die ständige Kritik laugt mich aus, ich bin auch nur ein Mensch. So geht es nicht weiter, es muss anders werden. Es muss besser werden.»

Es ist ein milder Wintertag Ende Januar 2024. Das Treffen mit David Degen findet kurzfristig statt, der Präsident des FC Basel hat Redebedarf. Nun sitzt er über Mittag in einem kleinen Studio und bittet inständig, den Treffpunkt keinem zu verraten. Hier, unweit des Stadions St.-Jakob-Park, zieht sich Degen gern mit seinen Vertrauten des FCB-Verwaltungsrates zurück: Dan Holzmann, Ursula Rey-Krayer und Andreas Rey.

An diesem Dienstag ist die Stimmungslage diffus. Der FCB hat zwar soeben die Berner Young Boys mit 1:0 bezwungen, aber die Grosswetterlage macht allen im Club zu schaffen. Im Oktober 2023 hat Degen wieder mal den Trainer gewechselt, Fabio Celestini ist der sechste Übungsleiter in zweieinhalb Jahren. Als der Romand übernimmt, ist der FC Basel Tabellenletzter, es droht der Fall in die Zweitklassigkeit.

David Degen und Alex Frei

David Degen beisst in ein Sandwich und beginnt zu erzählen. Ja, die Geschichte mit Heiko Vogel sei dumm gelaufen, «wir haben Fehler gemacht und ihn viel zu lange gewähren lassen». Hätte Alex Frei als Trainer reüssiert, wäre dies ein rotblaues Märchen gewesen, «Alex ist brutal beliebt in der Muttenzerkurve.» Aber es habe nicht gepasst mit der Stürmerlegende, genauso wenig wie beim Deutschen Timo Schultz. 

Der sportliche Misserfolg ist das eine, das David Degen zu schaffen macht. Das andere sind die Geschäftsführung sowie die Aussendarstellung des FCB. Der Lampenberger nennt keine Namen, er nennt Attribute, die bei ihm zählen: Fleiss, Wille, Durchsetzungsvermögen. Er will bei allen Lohnempfängern sehen, dass sie sich für den FC Basel zerreissen, Tag für Tag.

Degen selbst lebt das vor. Jeden Morgen steht er vor sechs Uhr auf und trainiert im Fitnessstudio. Nach der Dusche fährt er mit dem Auto von seinem Wohnort im Kanton Schwyz nach Basel. Oft ist er erst um 23 Uhr wieder am oberen Zürichsee. Meeting reiht sich an Meeting.

«Ich kann sagen, was ich will, alles wird verdreht oder negativ dargestellt», sagt Degen. Als ihm Ursula Rey ein Dessert reicht, liest Degen zuerst das Kleingedruckte auf der Verpackung. «Hat es hier Zucker drin?», fragt er und legt die Süssspeise sofort wieder beiseite. «Ich esse keinen Zucker, Ursi, das weisst du doch.» Stattdessen gibt es Kaffee.

Degen will den FCB verändern, in allen Bereichen. «In Sachen Digitalisierung sind wir weit zurück», moniert er. Marketing, Buchhaltung, Fanshop, Ticketing, Kommunikation, Besetzung des Staffs – er hat tausend Ideen und viele klare Vorstellungen, wie ein moderner Fussballclub künftig aufgestellt sein muss. Vor allem stört ihn, dass viele Ausgabenposten im Budget nicht eindeutig geregelt sind. Wer bezahlt die Abwasserkosten während eines Heimspiels – wer den Strom? Nach einem letzten Schluck Kaffee steht Degen auf und sagt unter der Tür: «Der FCB ist kein Selbstbedienungsladen, obwohl das offenbar alle meinen.»

Im März gibt Degen der Tamedia-Redaktion ein langes Interview. «Den FC Basel würde ich eher nicht mehr kaufen», sagt er da. «Die Energie, die das bislang gekostet hat, und die persönlichen Opfer, die ich bringen musste, sind gross.»

David Degen am TV: Es ist Philipp Degen!

Was alle wissen: David hat einen Zwillingsbruder, Philipp, mit dem er sein Zuhause teilt. Was David ärgert: Während der TV-Übertragungen wird oft Philipp eingeblendet, während der Kommentator von David redet. «Dann heisst es wieder, ich tobe, dabei zeigen die nicht mal mich», schnaubt der FCB-Boss. Derartige Verwechslungen begleiten die Zwillinge zeit ihres Lebens.

Die Zwillinge David (oben) und Philipp Degen während der Fussball-WM 2006 in Deutschland.

Der Frühling 2024 wird für Degen auch sportlich zur Qual. Die fünf Spiele der Rotblauen in der Relegation Group sind trostlos und ziehen sich hin wie Kaugummi. Mit Fabio Celestini verlängert er den Vertrag bis 2026. Die sportliche Leitung dagegen will Degen umkrempeln. Er braucht dringend wieder einen Sportchef.

Längst hat er sich auf Daniel Stucki festgelegt, doch Degen weiss genau: In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wird Stucki zunächst nur ein Schatten-Sportchef sein, eine Marionette Degens, der im Hintergrund weiterhin alles selbst bestimmen will. «Ich gebe mein Ehrenwort, dass ich Dani machen lasse», sagt Degen zur BaZ, «Stucki hat es drauf. Und er wird mir helfen. Ich kann nicht alles selbst machen, ich muss mich aufs Business und die Digitalisierung konzentrieren. Auch wenn mir das wieder keiner glaubt.»

An der GV des FC Basel durchs Fegefeuer

Bevor er den Stucki-Deal offiziell verkündet, muss David Degen Anfang Mai noch durch das rotblaue Fegefeuer: Die 130. Generalversammlung (GV) des FCB steht an. Ein paar Tage zuvor sitzt er wieder am gleichen Tisch wie Ende Januar und verwirft die Hände. Wieder sind seine Mitstreiter aus dem FCB-VR anwesend, nur Dan Holzmann fehlt. Der Druck von aussen wird zunehmend grösser. Es geht um verheimlichte Geschäfte, es geht um zwei separate Gesellschaften – Horizon2026 AG und Intein AG – sowie die eigene, ordentliche finanzielle Entlöhnung, die Degen für seine Arbeit beim FC Basel erhält. Vor allem in den sozialen Medien wird der ehemalige Nationalspieler angeschwärzt.

Degen wird richtig wütend bei diesen Themen. «Meint ihr tatsächlich, wir arbeiten hier in die eigene Tasche?», fragt er in die Runde, «meint ihr, wir haben es nötig, den FCB zu betrügen? Wir werden allen zeigen, dass wir sauber arbeiten.»

Ein paar Tage später erhält Degen an der GV trotzdem die Quittung für mangelnde Transparenz: Nur gut 76 Prozent der anwesenden Mitglieder geben ihm die Stimme als Verwaltungsratspräsident der FC Basel 1893 AG. Ein Jahr zuvor waren es noch gut 95 Prozent der Stimmen gewesen.

Der Vertrauensverlust erinnert an die Ära Bernhard Burgener. Degens Vorgänger wusste bei seiner letzten FCB-GV Ende 2020 nur noch 39 Prozent Ja-Stimmen hinter sich; die Mitglieder entzogen dem Geschäftsmann das Vertrauen, was Burgener schliesslich im Mai 2021 bewog, seine Aktien an David Degen zu verkaufen.

Den Vorwurf der mangelnden Kommunikation nimmt sich Degen nach der GV im Mai 2024 zu Herzen. Ebenso wird ihm bewusst, dass er nicht alles an einem Tag verändern kann. Manchmal ist weniger mehr. Und er lernt, besser zu kommunizieren, seine Gedanken mit seinen Mitstreitern zu teilen. Sich zu erklären. Langsam und deutlich, nicht schnell und überhastet wie noch als Aktiver.

Gleichzeitig macht sein Umbau im Club Fortschritte. Im sportlichen Tagesgeschäft schlüpft Daniel Stucki in die Rolle des starken Mannes. Im Herbst 2024 krempeln Degen & Co die operative Führung im ganzen Club weiter um: Der auslaufende Vertrag mit CEO Chris Kauffmann wird nicht verlängert, stattdessen übernimmt eine sechsköpfige Geschäftsleitung, in der auch Degen und Stucki Einsitz haben.

Und dann holt David Degen Xherdan Shaqiri

Einen tragenden Entscheid hat die Führung schon Wochen zuvor gefällt: Xherdan Shaqiri kehrt ins «Joggeli» zurück. Mit Heimweh-Fussballern hat sich David Degen immer schwergetan, bei «Shaq» dagegen zögerten er und Daniel Stucki nicht lange. «XS» will der ganzen Schweiz beweisen, dass er nicht nur ein genialer Fussballer, sondern auch ein Leader sein kann. In der Nationalelf stand ihm immer Granit Xhaka vor der Sonne.

Während Shaqiri auf dem Platz brilliert und das Team an die Tabellenspitze führt, beruhigen sich die Gemüter rund um den FC Basel. Das ist das teuflisch Schöne und das teuflisch Triviale im Fussball: Wer am Sonntag den Match gewinnt, hat unter der Woche alles richtig gemacht. Fehlende Transparenz, mangelnde Kommunikation, exorbitanter Trainerverschleiss? Kein Thema mehr in der Öffentlichkeit. 

Dafür präsentiert Degen für das Geschäftsjahr 2024 eine Buchhaltung mit goldenen Rändern: 15,6 Millionen Franken Gewinn. Hauptsächlich erwirtschaftet dank einer hervorragenden Transferstrategie. Die Gegensätze sind bemerkenswert: Bei Bernhard Burgener wurde innert vier Jahren aus Achtung Verachtung. Bei David Degen wurde innert vier Jahren aus Verachtung Achtung.

Und doch kommt er nicht zur Ruhe. Er wird niemals zur Ruhe kommen, solange er den FC Basel führt. Es gibt noch so viel zu tun, so viel zu professionalisieren. Degen hat immer noch eintausend Ideen. Er will den Campus weiter professionalisieren, den Nachwuchsbereich stärken, die Werbung digitalisieren, das Stadion renovieren und, und, und.

«Die letzten 14 Monate waren unglaublich intensiv und lehrreich. Ich bin voller Demut und Dankbarkeit, dass wir den FCB gemeinsam, mit einem Kraftakt, sportlich und finanziell stabilisieren und wieder eine Euphorie entfachen konnten», sagt Degen heute. «Ich bin bereit, weiter zu wachsen und zu lernen.»

Als der 21. Meistertitel des FCB am Sonntagabend zur Gewissheit wird, brechen auch bei ihm alle Dämme. Auf dem Casinobalkon in Basel lässt er sich von der Menge feiern, zuvor aber sagt er zu Xherdan Shaqiri: «Dir baue ich noch ein Denkmal.»

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Oft genug ist er in den letzten Wochen darauf angesprochen worden. «Das war die pure Euphorie, herrlich!», sagt er.30 ist Dzonlagic gerade eben geworden, seine ungewöhnliche Karriere neigt sich dem Ende zu. In Schönbühl aufgewachsen, spielte der Sohn bosnischer Eltern mit 18 für den FC Bern in der 1. Liga. Innert einem Jahr schaffte er dann über die U21 des FC Thun den Sprung in die Super League. Er, der in einer Autogarage die Lehre zum Carrosserielackierer absolviert hatte, war plötzlich doch noch Profifussballer.«Ein Ausgleich zum Fussall zu haben, ist enorm wichtig.»Omer Dzonlagic, Stürmer und StudentNun ist er der Routinier, der seinen jungen Teamkollegen mit Rat zur Seite steht. Letzten Sommer begann er ein Fernstudium in Wirtschaftsinformatik, hätte er das bloss früher getan, denkt er sich nun. 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