Fabio Celestini: Wie aus dem Sturkopf von früher der kompromissbereite Meistertrainer des FC Basel wurde

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.


Super League

Fabio Celestini: Wie aus dem Sturkopf von früher der kompromissbereite Meistertrainer des FC Basel wurde

Als Spieler fühlte sich Fabio Celestini in der Schweiz zu wenig wertgeschätzt. Bevor er zum FC Basel kam, stand auch seine Trainerkarriere auf dem Spiel. Doch dann änderte der 49-jährige Waadtländer seine Prinzipien und schaffte das Unglaubliche.

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In neunzehn Monaten hat Fabio Celestini mit dem FC Basel ein unglaubliches Märchen geschrieben.

Bild: Marc Schumacher / freshfocus

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Mit 29 Jahren und 35 Länderspielen trat Fabio Celestini nach der EM 2004 aus der Schweizer Nati zurück. Seine Begründung: «Ich will als zentraler Spieler im Mittelfeld nicht länger ein Lückenbüsser hinter Johann Vogel sein. Ich möchte Titular und Leader sein und Verantwortung übernehmen.» Titular und Leader war Celestini zu diesem Zeitpunkt als Captain von Olympique Marseille. «Der Fussball in der Schweiz ist stark geprägt von der Deutschschweiz», sagte er damals.

Celestinis Verdienste wurden in Marseille oder später in Spanien deutlich mehr geschätzt als hierzulande. «In Marseille war ich berühmt, in der Deutschschweiz fragten mich die Leute, wer ich bin, wenn wir mit der Nati aus dem Bus stiegen», erzählte Celestini. Im Sommer 2004 rasierte er sich die Haare ab und tätowierte sich das Konterfei von Che Guevara auf den Oberarm. Die Begründung: «Seine Ideen sind mir nah.» Celestini versteht sich als einer, der sein Leben lieber durch Agieren in die gewünschte Bahn lenkt, als abzuwarten, was passiert, und wollte sein Leben nicht nur durch den Nati-Rücktritt neu starten. Marseille verliess er im selben Sommer in Richtung Levante, Spanien. Auch dort wollte er sich beweisen, und es würde ihm gelingen.

Der 49-Jährige bezeichnet sich heute als keiner Nation zugehörig. Zwei Jahre vor seiner Geburt im Jahr 1975 kamen seine Eltern aus Umbrien in die Schweiz. Celestini hat drei Kinder von zwei unterschiedlichen Ex-Frauen. Die aktuelle Freundin hat ihren Lebensmittelpunkt in Valencia. «Wenn wir über mein Privatleben reden wollen, könnte es länger dauern», sagt Celestini. Seine Söhne, mittlerweile in den 20ern, reisen aber an fast jedes Spiel ihres Vaters. Die kleine Tochter lebt bei der Mutter in Panama. Sie öfter zu sehen, wäre ihm nach eigener Aussage wichtiger als jeder Titel.

Unter Trainer Martin Rueda (rechts) war Fabio Celestini zum Schluss seiner Spielerkarriere in Lausanne Captain, ehe er den Verein Knall auf Fall im Winter 2010 verlies.

Unter Trainer Martin Rueda (rechts) war Fabio Celestini zum Schluss seiner Spielerkarriere in Lausanne Captain, ehe er den Verein Knall auf Fall im Winter 2010 verlies.

Bild: Dominic Favre / KEYSTONE

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Die Suche nach Anerkennung ging nach Celestinis Karriereende als Spieler 2012, das durch den Rausschmiss bei Lausanne-Sport nach Krach mit der Klubführung im Winter forciert wurde, auch als Trainer weiter. Als er 2015 Coach in Lausanne wurde, sah er zwei grosse Chancen: zum einen, seinen Herzensklub wieder zurück in die Super League zu führen; zum anderen, sein Bild in der Schweizer Öffentlichkeit zu verschönern.

Celestini, der in seiner Freizeit zum Abschalten selbst gern Pinsel und Palette in die Hand nimmt, übertrieb es jedoch. «Ich wollte allen beweisen, dass ich ein guter Trainer bin», sagt er rückblickend. Weil sich Celestini nicht nur um Traineraufgaben kümmerte, sondern auch Mädchen für alles war und unter anderem Unterhosen für seine Spieler kaufte, schlitterte er nahe ans Burnout. Zwar gelang Lausanne 2016 der Aufstieg in die Super League. Doch weil sein ballorientierter Offensivfussball eine Klasse höher zu fehleranfällig und wenig erfolgversprechend war, verlor Celestini 2018 seinen Job.

Früher starben seine Teams in Schönheit

Dass das Festhalten an seinem Spielstil ein Fehler war, gesteht Celestini sich erst Jahre später ein. Auch in Luzern, wo er 2021 den Cup gewann, scheiterte er wenige Monate später an seinem Sturkopf. Celestini überwarf sich mit der Vereinsführung und musste daraufhin gehen. Als der Verband 2021 bei der Suche nach einer Frauennationaltrainerin Inka Grings bevorzugte und sein Engagement beim FC Sion im Jahr 2022 nur sechs Spiele dauerte, schien die Aktie Celestini nicht mehr gefragt zu sein. Doch dann kam unverhofft der FC Basel. Dabei hatte Celestini kurz zuvor noch gekränkt gesagt, er werde wohl nie Trainer in Bern oder Basel werden.

Doch beim FCB hat Celestini mit Ex-Sportchef und Chefscout Ruedi Zbinden einen Befürworter in der Sportkommission. Bereits 2020 gab es positives Feedback für seine Bewerbung, aber dann doch eine Absage. Ciriaco Sforza bekam den Zuschlag. Nach dem neuerlichen Anruf Zbindens nach dem Basler Chaos-Oktober 2023 ohne Tor und Punkt war Celestini überrascht, aber sofort im Kampfmodus. Trotz schwieriger Ausgangslage mit fünf Punkten Rückstand auf den Vorletzten und Endzeitstimmung im Verein packte er die vermeintlich letzte Chance.

«Fussball spielt man mit dem Ball, sonst ist es Leichtathletik», sagte Celestini einmal. Doch sein Spielkonzept warf er zur Sicherung des FC Basel zunächst vollkommen über den Haufen. Celestini stärkte die Defensive, gab dem FCB mit einem 4-4-2-System Sicherheit und holte so in der Folge wichtige Punkte im Abstiegskampf. «Es geht darum, dass wir Punkte sammeln, nicht, dass wir schön spielen», sagte er. Schrittweise und mit Geduld nahm er Anpassungen vor. Schon im März 2024 sagte er in einem bemerkenswert weitsichtigen Interview mit dieser Zeitung: «Einer Person langfristig zu vertrauen, kann zu etwas führen. Ich bin mir sicher, dass es auch in Basel irgendwann dazu führen kann, dass wir wieder Titel gewinnen.»

Mit etwas ansehnlicherem Fussball schaffte der FCB in der Abstiegsrunde noch den Sprung auf Rang acht. In der Sommerpause baute er auch den FCB-Staff nach seinen Wünschen um. Zu Beginn der neuen Saison sah man dann beim 6:0 in Genf eine Mischung aus tiefem Verteidigen und spektakulärem Angriffsfussball. Es wurde deutlich, wohin Celestini mit dem Team spielerisch will. Celestini, der in seinen Anfangszeiten als Spieler gerne Mamas Spaghetti und Chorizo vor dem Training ass, ernährt sich heute sehr gesund. Diese Professionalität fordert er auch beim FC Basel ein.

Der perfekte Umgang mit Xherdan Shaqiri

Fabio Celestini und Zinedine Zidane (rechts) wohnten in Madrid im selben Quartier. Ihre Kinder gingen auf dieselbe Schule. –> <!–>

Fabio Celestini und Zinedine Zidane (rechts) wohnten in Madrid im selben Quartier. Ihre Kinder gingen auf dieselbe Schule.

Bild: Marcel Gillieron / Key

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Celestini ist aus Madrider Zeiten mit Zinedine Zidane befreundet. Der sagte einmal: «Celestini ist ein leidenschaftlicher Typ. Er macht Wunder wahr.» Und die französische Legende sollte recht behalten. Celestinis zweiter Meilenstein zum Wunder von Basel war der Umgang mit Xherdan Shaqiri. Statt ihn in ein taktisches Korsett zu zwängen, stellte der Trainer für ihn ein funktionierendes Spielsystem mit schnellen Offensivkräften erneut um. Die Basler Nummer 10 geniesst dabei alle Freiheiten in der Offensive, dafür räumen zwei defensive Mittelfeldspieler hinter ihm, wie es der Spieler Celestini damals machte, auf. Der staunende Blick auf Shaqiris Skorerwerte lässt nur einen Schluss zu: Es war die absolut richtige Entscheidung.

Dass Celestini auch in der Meistersaison zweimal vor dem Aus stand – vor dem 1:0-Sieg gegen YB, der dann Patrick Rahmen den Job kostete, und in der Länderspielpause im März –, muss in all den Lobesliedern ebenfalls eine Strophe wert sein. Der Trainer selbst empfand die Kritik an seiner Person, vor allem die Stimmen, dass es zwischen Team und Trainer kriseln solle, als Beleidigung. Doch die überwundenen Tiefpunkte machen die Geschichte von Fabio Celestini beim FC Basel nur noch dramatischer.

Wie bei Xherdan Shaqiri oder Taulant Xhaka wird es auf der Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz besonders laut, als Fabio Celestini auf dem Balkon auftaucht.

Wie bei Xherdan Shaqiri oder Taulant Xhaka wird es auf der Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz besonders laut, als Fabio Celestini auf dem Balkon auftaucht.

Bild: Georgios Kefalas / Keystone

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Nach der spontanen Meisterfeier sagte der Meistercoach, dessen Name jetzt in einer Reihe mit Helmut Benthaus, Christian Gross, Thorsten Fink, Heiko Vogel, Paulo Sousa, Murat Yakin oder Urs Fischer genannt werden darf: «Es war der schönste Moment in meiner Karriere. Basel war die grösste Challenge in meiner Karriere als Spieler und als Trainer.»

Auch der Fussball, den sein Team unterdessen spielt, ist nach Celestinis Gusto. Dass Zehntausende Basler Fans ihn auf der spontanen Meisterfeier auf dem Barfi-Balkon als einen der wichtigsten Köpfe dieses Erfolgs feierten, rührte den Coach. «Die Verbindung zu den Basler Fans ist die speziellste, die ich jemals erfahren durfte», sagt der sonst gerne von Marseille und Getafe schwärmende Celestini. Kein Wunder, denn durch diesen bei seinem Antritt von niemandem im Ansatz für möglich gehaltenen Weg hat Celestini auch in der Schweiz endlich die Anerkennung erhalten, die er sich schon lange gewünscht hat.

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