Die Knackpunkte der Saison: Wie der FC Basel plötzlich zum Meisterfavoriten wurde

Dieser Artikel wurde von BZ publiziert.

Die Knackpunkte der Saison: Wie der FC Basel plötzlich zum Meisterfavoriten wurde

Sechs Runden vor Saisonschluss steht der FC Basel mit sechs Punkten Vorsprung auf Rang 1. Weil die Konkurrenz zuletzt patzte, wirkt kein Team so sehr wie der Favorit auf den Meistertitel wie der FCB. Die wichtigsten Etappen, die zu dieser Entwicklung beisteuerten.

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Die Startniederlage in Lausanne setzt einiges in Bewegung

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Ein Spiel ist die Saison alt, und schon müssen sich die Spieler des FC Basel (hier Nicolas Vouilloz stehend und Thierno Barry sitzend) gegenseitig trösten.

Bild: Claudio Thoma / Freshfocus

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Man wähnt sich im falschen Film: Keine zwei Umdrehungen hatte der Sekundenzeiger auf der Uhr vollendet, als der FCB im Startspiel in Lausanne bereits in Rückstand gerät. Und das nach fünf Wochen intensiver Vorbereitung unter einem neu zusammengestellten Staff für Cheftrainer Fabio Celestini samt jeder Menge Optimismus, der verbreitet wurde. Zur Pause hat der FCB zwei weitere billige Gegentore kassiert. Am Ende heisst es auf dem Kunstrasen des Stade de la Tuilière 3:2.

Was erst später an die Öffentlichkeit dringt: Nach einem Teamanlass in der Woche vor Saisonbeginn waren einige Spieler im verlängerten Ausgang, was für Aufregung sorgte und zu Sanktionen führte.

In der Offensivreihe des FCB hören die Spieler beim Startspiel noch auf Namen wie Thierno Barry (Doppeltorschütze, Wechsel im August zu Villarreal), Benjamin Kololli (seit Winter in Sion) und Roméo Beney (ausgeliehen in die Challenge League). Im Zentrum einer Dreierabwehrreihe steht noch Arnau Comas (auch ausgeliehen) und im zentralen Mittelfeld agiert Captain Fabian Frei.

Um den geht es dann viele Wochen lang, weil durchsickert, dass der FCB seinem Rekordspieler nahelegt, über das vorzeitige Ende seines Vertrags nachzudenken. Es ist der erste von drei Urgesteinen im Kader, der ins Rollen kommt. Bald ist Michael Lang in den Ruhestand verabschiedet, Fabian Frei wechselt am Ende der Transferperiode nach Winterthur und Taulant Xhaka, sportlich längst auf einem Abstellgleis parkiert, verkündet im Februar das Karriereende zum Saisonschluss hin.

Die Startniederlage in Lausanne, aber auch die darauffolgende 1:2-Heimniederlage gegen Lugano, setzen beim FCB einiges in Bewegung, was die Zusammensetzung des Teams anbelangt. Dies nach einem vergleichsweise relativ ruhigen Transfersommer. Und im Hintergrund wird bereits an einem Paukenschlag gearbeitet: der Rückkehr eines Heilsbringers.

Das grandiose 6:0 in Genf

Nach dem furiosen 6:0 über Servette Genf in deren Stadion ist die Mannschaft des FC Basel in Feierlaune.

Nach dem furiosen 6:0 über Servette Genf in deren Stadion ist die Mannschaft des FC Basel in Feierlaune.

Bild: Pascal Muller / Freshfocus

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Nur drei Wochen später traut man erneut seinen Augen kaum. Der FCB kontert im Stade de Genève Servette nach allen Regeln der Kunst aus. Das 6:0 ist der erste Sieg auf Genfer Boden seit 2013 und der höchste Sieg in der Liga seit einem 6:0 gegen Vaduz im Jahr 2016.

Die Schlagzeilen zu diesem Kantersieg tragen fast ausnahmslos Ausrufezeichen, und Celestini darf sich auf seinem Weg mit dem Team ein erstes Mal bestätigt fühlen. «Es ist fantastisch. Man sieht, dass sie Spass haben, zusammenzuspielen», sagt er über seine Offensive. Barry erzielt die Führung, macht eine Woche später im Cup beim 8:0 in Subingen noch einen Hattrick und wird gleich anschliessend für viele Millionen nach Spanien wegtransferiert. Bénie Traoré, Albian Ajeti (2), Marin Soticek und Kololli heissen die weiteren Torschützen in Genf – und rund um den FCB entsteht das Gefühl: So könnte es funktionieren!

Die Rückkehr von Xherdan Shaqiri elektrisiert – und setzt Kräfte frei

Der Messias winkt seinen Anhängern zu: Xherdan Shaqiri beim Fan-Empfang nach seiner Rückkehr am 19. August 2024. –> <!–>

Der Messias winkt seinen Anhängern zu: Xherdan Shaqiri beim Fan-Empfang nach seiner Rückkehr am 19. August 2024.

Bild: Georgios Kefalas / Keystone

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Wann wurde ein Rückkehrer jemals mit einem Fan-Empfang auf dem Balkon der Geschäftsstelle präsentiert, zu dem auch noch Tausende von Anhängern pilgerten? Noch nie in der Geschichte des FC Basel. Alleine dies illustriert, welche Wellen die Heimkehr von Xherdan Shaqiri zu seinem Jugendklub auslöste. Am 16. August wurde verkündet, was seit Wochen im Hintergrund aufgegleist worden war: das Comeback des Zauberwürfels. Bereits bei der zweiten Partie der Saison, dem 1:2 gegen Lugano, weilt Shaqiri im Stadion, befindet vieles als nicht genügend, was die künftigen Kollegen fabrizieren, kommt aber auch zum Schluss: «Es gibt Potenzial in diesem Team. Ich komme zurück!»

Was sich nach der Verkündung der Rückkehr und dem Fan-Empfang entwickelt, darf man gut und gerne als Hype bezeichnen: Die Tickets fürs erste Spiel gegen Yverdon – ein eher weniger elektrisierender Gegner – sind plötzlich heiss begehrt. 30’013 Zuschauende sitzen am 25. August beim Shaq-Comeback im Joggeli. Auch in den folgenden Spielen ist der Zuschauerauflauf gross, der Trikot-Absatz reissend.

Der 1,69 Meter kleine Shaqiri schafft es, Grosses zu bewegen. Er bringt den Fussball-Glauben zurück nach Basel. Nicht nur, weil er wiederholt vom «Kübel» spricht, den er auf dem Barfi hochhalten will. Sondern auch, weil er dem punkto Selbstvertrauen angeknacksten FCB wieder eine Winnermentalität einimpft. Und nach vier Spielen der Angewöhnung nicht nur Dreh- und Angelpunkt wird, sondern sofort das Herz dieser Mannschaft.

In extremis zum 2:1-Sieg über St.Gallen

Bei diesem Last-Minute-Winner von Kevin Carlos (irgendwo begraben unter den Mitspielern) sprintet sogar Goalie Marwin Hitz über das ganze Feld, um zu jubeln.

Bei diesem Last-Minute-Winner von Kevin Carlos (irgendwo begraben unter den Mitspielern) sprintet sogar Goalie Marwin Hitz über das ganze Feld, um zu jubeln.

Bild: Marc Schumacher / Freshfocus

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Manchmal braucht es diese gewissen Spiele, diese speziellen Siege, um etwas ins Rollen zu bringen. Das 2:1 des FC Basel Ende Oktober über St.Gallen im Joggeli ist so eines. Die Basler kassieren mal wieder ein frühes Gegentor, und als es bereits danach aussieht, dass die 27’009 Zuschauenden – ja, der Shaqiri-Effekt ist noch immer spürbar – mit einem 1:1-Unentschieden leben müssen, sorgt Kevin Carlos in der 95. Minute und mit der letzten Aktion des Spiels für eine emotionale Eruption wie lange nicht mehr. Dieser Carlos, den der FCB Ende August als Barry-Ersatz geholt hat und sich eine Ablöse von rund drei Millionen Franken an Yverdon hat kosten lassen.

Der Lautstärke, aber auch der Ausgiebigkeit der Feierlichkeiten der Mannschaft ist zu vernehmen: Dieser Sieg ist mehr wert als drei Punkte. Einerseits ist er die Bestätigung des Sieges über YB, den die Basler vor der Länderspielpause eingefahren haben. Ausserdem rangiert der FCB mit den ersten Carlos-Toren für Rot-Blau in der zehnten Runde wieder unter den Top 6 und lässt sich anschliessend nicht mehr aus der Champions Group, dem erklärten Saisonziel, drängen. Aus diesem Sieg resultiert ein Flow mit vier Siegen aus fünf Partien, in denen die Basler 20 (!) Treffer erzielen. Das Last-Minute-Tor hat die Offensive endgültig wachgeküsst.

Die Willensleistung beim unterklassigen Carouge

Augen zu und durch: Drei Tore in vier Minuten reichen dem FC Basel für das Weiterkommen im Cup-Viertelfinal gegen Étoile Carouge. –> <!–>

Augen zu und durch: Drei Tore in vier Minuten reichen dem FC Basel für das Weiterkommen im Cup-Viertelfinal gegen Étoile Carouge.

Bild: Pascal Muller / Freshfocus

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Gut ist das nicht, was der FCB am 26. Februar im Viertelfinal des Schweizer Cups beim unterklassigen Étoile Carouge zeigt. Viel Knorz, wenig Idee, kaum Spielfluss. Und doch steht am Ende ein 3:1-Sieg für die Basler und der Einzug in den Cup-Halbfinal. Dafür reichen vier effiziente Minuten mit drei Toren zwischen der 83. und der 87. Das Geplänkel zuvor ist plötzlich egal. Oder wie man im Fussball so oft sagt: Wen interessiert in zwei Tagen noch, wie der Sieg zustande kam?

Der FCB beweist an jenem Ort, an dem er drei Jahre zuvor mit einer auf dem Papier stärkeren Mannschaft gegen einen damals eine Liga weiter unten agierenden Gegner blamabel im Cup-Achtelfinal gescheitert war, dass er auch mit schlechten Leistungen Siege erzwingen kann. Eine Eigenschaft, die jene Teams ausmacht, die um Titel spielen.

Nicht umsonst wählt Fabio Celestini Monate später in jener Phase, in welcher publik wird, dass seine Chefs eine Nachfolge für seine Person sondieren, das Beispiel Carouge wiederholt, um zu betonen, wie stark der Zusammenhalt im Team, aber auch zwischen Mannschaft und Staff ist. «Sonst hätten wir in Carouge nicht gewonnen», sagt Celestini immer wieder.

Unterschiedsspieler Xherdan Shaqiri

Er trägt die Last der ganzen Mannschaft auf sich: Xherdan Shaqiri, Ausnahmekönner.

Er trägt die Last der ganzen Mannschaft auf sich: Xherdan Shaqiri, Ausnahmekönner.

Bild: Martin Meienberger / Freshfocus

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13 Tore und 14 Assists in 28 Partien: Damit ist Xherdan Shaqiri seit vergangenem Wochenende auch noch statistisch der beste Spieler der Liga. Keiner hat mehr Vorlagen gegeben, keiner öfters getroffen als er.

Wie abhängig der FC Basel von seinem Ausnahmekönner ist, hat diese Zeitung bereits Anfang Februar aufgezeigt. Natürlich kann man die Erfolge des FCB nicht einzig und allein am linken Zauberfüsschen von Shaqiri messen. Aber es ist frappierend, wie sich die Leistung der gesamten Mannschaft der individuellen Darbietung Shaqiris anpasst. Lässt er nach, lassen alle nach. Gibt es Gas, hat das ganze Team eine andere Pace.

Zu erkennen ist das an den Siegesserien der Basler und der jeweiligen Beteiligung Shaqiris: Als die Basler im Oktober erstmals drei Siege aneinanderreihen, sammelt der 33-Jährige sechs Skorerpunkte. Bei der zweiten Serie von drei Siegen am Stück im November kommen Shaqiri-Skorerpunkte zusammen.

Ende Januar/Anfang Februar sind es vier Skorerpunkte, die Shaqiri in drei aufeinanderfolgenden Siegen beiträgt. Und beim aktuellen Höhenflug – erstmals seit 2019 unter Marcel Koller kann der FCB vier Siege aneinanderreihen – beträgt Shaqiris Beitrag sechs Skorerpunkte.

Seit Shaqiri wieder beim FCB ist, gab es nur zwei Siege, zu denen er nichts beitrug: beim ersten Einsatz nach der Rückkehr gegen Yverdon und beim oben beschriebenen Last-Minute-Sieg über St. Gallen. Ansonsten heisst es: kein Shaqiri-Skorerpunkt = maximal ein Remis für den FCB. «Watson» hat in dieser Woche ausgerechnet, wo der FCB ohne seinen Unterschiedsspieler stünde: mit 19 Punkten weniger (!) auf Rang 8. Dort also, wo die Basler die letzte Saison beendeten.

Vier Siege, sechs Punkte und plötzlich Kandidat Nummer 1

So ausgelassen wie nach dem Klassiker hat die Mannschaft und vor allem auch Trainer Fabio Celestini (links) die ganze Saison über noch nicht gejubelt. –> <!–>

So ausgelassen wie nach dem Klassiker hat die Mannschaft und vor allem auch Trainer Fabio Celestini (links) die ganze Saison über noch nicht gejubelt.

Bild: Martin Meienberger / Freshfocus

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War das dieses Spiel? Dieses eine, nachdem der FC Basel mit all seinen Beteiligten weiss: Jetzt sind wir der Favorit auf den Meistertitel? Gemessen am ausufernden Jubel, dem sich überraschend ausgiebig für einmal auch Trainer Fabio Celestini anschloss, sowie an den Aussagen nach dem Spiel (Xherdan Shaqiri: «Das war ein Statement!»), kann man diese Frage mit Ja beantworten.

Denn dieses 4:0 des FC Basel im Klassiker gegen den FC Zürich ist eine Demonstration an Wucht, Leidenschaft, Mentalität und vor allem: Glaube an das eigene Team. Es ist überdies der vierte Sieg in Serie, der, weil die Konkurrenz aus Bern und Genf zum zweiten Mal in Folge patzt, zudem mit der Vergrösserung des Vorsprungs an der Tabellenspitze einhergeht.

Der FCB, der in der Nationalmannschaftspause Mitte März etwas gar laut über einen Trainerwechsel nachdachte und seine schwächste Phase dort gerade hinter sich hatte, ist plötzlich Meisterkandidat Nummer 1. Weil niemand sonst so überzeugend auftritt wie er. Weil niemand sonst eine solche Breite im Kader aufweist. Und weil niemand sonst einen Xherdan Shaqiri im Kader hat.

Und was war aus Sicht des Trainers der Knackpunkt?

Am Gründonnerstag danach gefragt, muss Fabio Celestini nicht lange nachdenken: «Ich sehe da viele Momente, aber ich glaube, das erste Spiel nach der Winterpause in Lugano hat mir gesagt: Wir sind nicht so weit entfernt. Wir haben zehn Punkte aus vier Spielen geholt, haben dann bei Servette zwar verloren, aber die erste Halbzeit in Genf hat mir gezeigt: Diese Mannschaft hat etwas Spezielles. Sie hat nicht nur Potenzial, sie kann mehr. Aber wir müssen Schritt für Schritt gehen, und das nicht zu schnell.»

Der Meisterexpress hat mächtig Fahrt aufgenommen.

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