Analyse zum Schweizer Meister: Der FC Basel hat einen Blockbuster produziert

Dieser Artikel wurde von BAZ publiziert.

Meinung

AboAnalyse zum Schweizer Meister

Der FC Basel hat einen Blockbuster produziert

FC Basel-Spieler, darunter Xherdan Shaqiri, jubeln auf dem Spielfeld nach einem Super League-Spiel gegen den FC Lugano in Lugano, 10. Mai 2025.
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In Kürze:

  • Xherdan Shaqiri führt den FC Basel nach acht Jahren wieder zur Meisterschaft.
  • Trainer Fabio Celestini verwandelte das Team vom Tabellenletzten zum Titelträger.
  • Ohne Sportdirektor Daniel Stucki wäre das kaum möglich gewesen.
  • Die entscheidende Figur war trotz allem David Degen, der beim FC Basel vor allen anderen das Sagen hat.

Am Sonntagabend erlebt der FC Basel noch einmal eine Explosion der Gefühle. Schweizer Meister. Zum 21. Mal. Zum ersten Mal seit acht schwierigen Jahren, die für eine ganze Bandbreite menschlicher Empfindungen gesorgt hatten.

Wobei: Können Gefühle überhaupt noch explodieren, wenn man schon seit dem Vorabend am Feiern ist, nach diesem unfassbaren 5:2-Sieg in Lugano? Wenn man schon in den Tagen, ja Wochen zuvor irgendwo im Dunstkreis von Wolke sieben geschwebt ist und Statement-Sieg um Statement-Sieg auf diesen Moment hingefiebert hat? Wenn irgendwann zwischen dem Anpfiff zu einem 4:0 gegen den FCZ und dem Abpfiff eines 5:1 gegen Servette aus einem «Ob» nur noch ein «Wann» geworden ist?

Es hat auf jeden Fall so ausgesehen, an diesem Sonntagabend auf dem Barfüsserplatz. Und es hat gepasst, weil dieser 21. Meister­titel in der Geschichte des FC Basel ein besonderer ist: Er steht am Ende einer Saison, durch die der Club auf einer anhaltenden Welle der Euphorie geritten ist, die nicht nur Umfeld und Region mit zuvor nie erlebter Wucht erfasst hat, sondern zuweilen auch den Rest der (Fussball-)Schweiz umspülte.

Auch davor waren Meister-Reisen des FC Basel schon von ganz grossen Emotionen begleitet worden. Der Neubeginn mit Trainer Thorsten Fink und Alex Frei etwa, der von Offensivfussball geprägt war und seinen Höhepunkt in der gewonnenen Finalissima 2010 fand, was den Auftakt zur Rekordserie von acht Meistertiteln in Folge bildete. Gewiss auch die Saison 2001/02, die acht Jahre davor die Wiedergeburt als Spitzenclub bedeutet hatte – mit dem ersten nationalen Titelgewinn nach 22 Jahren des Wartens. Und wie war es wohl 1967, bei der ersten Meisterschaft mit Helmut Benthaus und Karli Odermatt, nachdem man in den Jahren zuvor nur Sechster und Achter geworden war? Oder 1953, beim ersten Meistertitel überhaupt?

Vielleicht ähnlich. Aber nicht so.

Dieser Schweizer Meister ist filmreif

Auch wenn sich in all den Titelgeschichten der Neuzeit Parallelen finden, so vermögen sie nicht mit der fast schon kitschigen Story mitzuhalten, die der FC Basel 2024/25 geschrieben hat.

Einer Story, die so wirkt, als hätte man sich an ein Drehbuch aus Hollywood gehalten.

Die nötigen Ingredienzien dieses Blockbusters: Eine längere Titeldürre, die einen vom Erfolg überfütterten Club zum hungrigen Schmalhans und Fast-Absteiger hat werden lassen. Die Rolle des Aussenseiters, der im Juli scheinbar ohne Chance auf die Meisterschaft in die Saison startet. Und eine Überfigur, die Ende August nach Hause kommt, um sich und allen anderen etwas zu beweisen, wobei sie einen ganzen Club von den bösen Geistern der Vergangenheit befreit.

Vielleicht werden sie Xherdan Shaqiri ein Denkmal bauen. Denkt man daran, woran man zuerst denkt, wenn man an diesen Erfolg denkt, dann ist das denkbar. Denn immer, wenn man vom 21. Meister­titel des FC Basel spricht, wird sein Name im selben Atemzug genannt werden.

Er ist der grosse kleine Mann mit dem feinen linken Fuss, der allein mit seiner Rückkehr für Basler Euphorie sorgte und landesweite Vorfreude entfachte. Er ist der Anführer, der schon vom «Kübel» sprach, als er auf dem Balkon des St.-Jakob-Turms stand. Er ist es, der als Erster alle Erwartungen übertraf, worauf dies schliesslich auch der Mannschaft gelingen konnte.

Allein diese Saison mit dem Titelgewinn rechtfertigt, dass man ihn zurückgeholt hat. Sollte nun auch noch der Sprung in die Champions League gelingen, wäre bereits zwölf Monate nach seiner Rückkehr klar, dass die auf drei Jahre ausgelegte Rechnung des FC Basel mit Shaqiri auch einen finanziellen Gewinn bedeutet.

Auch Xherdan Shaqiri braucht Hilfe

Xherdan Shaqiri steht nun wieder auf einem Balkon und winkt in die Menschenmenge. Diesmal tut er es gemeinsam mit allen anderen.

Die Hymnen, die ihn inzwischen hundertfach umwehen, sind berechtigt. Gleichzeitig führen sie dazu, dass alle anderen Menschen im und um den Club vergleichsweise zu kurz kommen oder gar nicht erwähnt werden.

Da sind die Teamkollegen. Einige von ihnen schrieben ebenfalls besondere Geschichten. Man denke etwa an Marwin Hitz, Nicolas Vouilloz, Dominik Schmid, Leon Avdullahu, Philip Otele oder Albian Ajeti. Aber auch an Taulant Xhaka auf der Tribüne und sogar an Fabian Frei in Winterthur.

Sie waren die Supporting Actors, die für diesen Film unverzichtbar waren. Nicht nur, weil Fussball ein Mannschaftssport ist. Sondern auch, weil es ihnen nie an der Bereitschaft mangelte, Shaqiris Hauptrolle als Sonne zu akzeptieren, um die auf und neben dem Platz alles kreist und die alles erstrahlen lässt. Nur so konnte ein System, das dem 33-Jährigen jegliche Freiheiten gewährte, auch zu den gewünschten Resultaten führen.

Implementiert wurde dieses System vom Trainer, der rasch erkannte, dass sich Shaqiris Qualitäten nur so im Sinne des Mannschaftserfolgs maximal nutzen lassen. Dazu musste Fabio Celestini die ganze Spielanlage neu erfinden, als eine Saison bereits lief, für die er schon zuvor einige Änderungen vorgenommen hatte.

Diese Leistung allein ist gross. Die Liste seines Beitrags ist aber länger, beinhaltet viele Probleme und Lösungen. Sie lässt sich leicht zusammenfassen: Als er Ende Oktober 2023 seine Arbeit aufnahm, war der FC Basel mit fünf Punkten Rückstand auf den Barrageplatz Tabellenletzter – nur 20 Monate später ist er Schweizer Meister und dürfte am 1. Juni im Cupfinal gar das «Double» perfekt machen.

Dass es anders wäre, wenn es Daniel Stucki nicht gäbe, ist sehr wahrscheinlich. Denn mit ihm haben die Basler seit einem Jahr einen Sportdirektor, der in dieser Position ein Plus darstellt. Nicht als Sündenbock auf Vorrat, im Sandwich zwischen der Clubführung, dem Trainer und dessen Mannschaft. Sondern als Bindeglied im Innern, aber auch nach aussen. Mit Meinung, klaren Ansagen und Einfluss.

Nicht zuletzt seinetwegen präsentierte sich ein zuvor notorisch nervöser Club selbst dann verhältnismässig ruhig, als gerade mal wieder Unruhe herrschte. Und der Fakt, dass der FC Basel in dieser Saison – gemäss Statistik jeweils mit Abstand – über die beste Offensive und Defensive der Liga verfügt, ist Ausdruck einer ausbalancierten Kaderzusammenstellung, die sich Stucki ebenfalls ans Revers heften darf.

David Degen und sein FC Basel

Da ist es ganz egal, wie viele Finger ein gewisser David Degen bei den Transfers im Spiel hatte. Falls es in der allgemeinen Shaq-Mania in Vergessenheit geraten sein sollte: Das ist noch immer der Mitbesitzer und Präsident der FC Basel 1893 AG. Also der erste Mann im Club.

Ob im Guten oder Schlechten: Er ist es, der die oberste Verantwortung trägt. Für das, was war. Für das, was ist. Für das, was sein wird.

David Degen, Präsident des Verwaltungsrats des FC Basel, posiert vor dem FC Basel-Logo.

Er tut das zwar gemeinsam mit den Verwaltungsräten Ursula und Andreas Rey-Krayer sowie Dan Holzmann, mit denen er sich das Aktionariat der AG so teilt, dass keiner allein entscheiden kann. Doch weil diese vom kurzzeitigen Alleinbesitzer Degen mit ins Boot geholt worden waren und sich ihre Kompetenzen nicht im sportlichen Kerngeschäft finden, ist klar, wer beim FCB im zentralen Bereich eines jeden Fussballclubs die Richtung vorgibt. Ohne David Degens Zustimmung kein Sportdirektor Stucki. Ohne David Degens Zustimmung kein Trainer Celestini. Ohne David Degens Zustimmung keine Heimkehr von Xherdan Shaqiri.

Dass er nun nicht als Erster genannt wird, ist Ausdruck einer Lernkurve der gesamten Clubführung und bedeutet eine gewinnbringende Veränderung. Denn auch wenn David Degen seit der FCB-Übernahme im Mai 2021 stets bemüht gewesen war, im Hintergrund zu wirken, so war es bis zu dieser Saison doch er, der stets im Mittelpunkt stand.

Mal zu Recht, mal zu Unrecht war alles und jedes in ihn projiziert worden. Und wenn man sich in Erinnerung ruft, was das im Zuge einer bis heute anhaltenden Transformation eines Clubs alles war, den er in wirtschaftlicher Notlage übernommen hatte, dann muss man davon ausgehen, dass die Genugtuung über diesen Meistertitel bei keinem so gross ist wie bei David Degen.

Vier Jahre musste der Ungeduldige auf diesen Moment warten. Nun ist der FC Basel Schweizer Meister. Der Club als Ganzes ist damit noch nicht dort, wo ihn David Degen und seine Mitstreiter haben wollen. Aber er ist wieder eine Macht im Schweizer Fussball.

Wie geht es weiter mit dem Schweizer Meister?

Wird der FC Basel nun zur Übermacht, die er bis 2017 war, als er letztmals zuoberst stand? Und ist das für einen Fussballclub und eine Liga überhaupt erstrebenswert – oder eher kontraproduktiv, denkt man an Gewohnheit und falsches Selbstverständnis bis hin zu einer gewissen Langeweile, die man erfahren hat?

Sicher ist: Das extreme Ausmass der Freude, das mit diesem Erfolg einhergeht, hängt stark mit dem zusammen, was zwischen diesen beiden Titeln liegt. All der Niedergang, all die Fehler, all die Irritationen und die zeitweise bedrohlichen Phasen waren nötig, damit nun die positiven Gefühle in bisher kaum gekannter Intensität erlebt werden dürfen.

Die vergangenen acht Jahre haben exemplarisch vor Augen geführt, was schon vorher jeder wusste – aber einige vergassen: Keiner kennt die Zukunft. Alles ist veränderlich – und letztlich nur eine endlose Aneinanderreihung von Momentaufnahmen.

Dieser Moment gerade jetzt ist zum Geniessen: Auch er wird vergehen. Doch dem FC Basel wird er für immer in Erinnerung bleiben.

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